Wir haben den Parteien des Bundestags, sowie dem BSW und Volt fünf Fragen zu rechtlichen Themen im Bereich der Digitalisierung geschickt. Da die Parteien des Bundestags bei dieser Wahl nur die Fragen von vorausgewählten Organisationen beantworten, möchten wir im Folgenden unsere eigene Position dazu jeweils darlegen und eine Zusammenfassung der Position von Volt geben.
Die vollen Antworten von Volt findet Ihr als Anhang am Ende des Artikels.
- Frage: Gesetz zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit
Durch das Ende der Ampel-Koalition wurde das Gesetz nicht mehr vom Bundestag verabschiedet. Sieht Ihre Partei für ein solches Gesetzesvorhaben in der nächsten Legislaturperiode eine Chance und wenn ja, in welcher Form?
Wir finden, dass es mehr Innovation im Gerichtsverfahren braucht, insbesondere um Verfahren mit niedrigem Streitwert effizienter und für Bürger:innen auch kostengünstiger zu machen. Wir sind deshalb für die Umsetzung des Gesetzesvorschlags, erkennen aber auch an, dass die Justiz in vielen Bundesländern unterfinanziert ist und insbesondere im IT-Bereich Schwierigkeiten hat, Personal zu finden. Hinzukommt, dass viele Gerichte noch mit der Digitalisierung der eigenen Arbeitsprozesse bzw. der vollständigen Integration der E-Akte beschäftigt sind.
Volt findet den Gesetzesvorschlag sinnvoll und will diesen unterstützen.
- Frage Onlinezugangsgesetz (OZG)
Nachdem bis Ende 2023 nur wenige Vorhaben des OZG umgesetzt wurden, hat der Bundesrat im Juni 2024 das Änderungsgesetz zum Online-Zugangsgesetz (OZG 2.0) beschlossen. Was gedenkt Ihre Partei zu tun, um das OZG 2.0 einen Erfolg werden zu lassen?
Wir teilen die Einschätzung, dass beim OZG Nachbesserungsbedarf besteht. Gleichzeitig kann der unzureichende Umsetzungsstand nicht ausschließlich auf Regulierungsdefizite und Finanzierungslücken zurückgeführt werden – dies legen auch die Feststellungen zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes im Bericht des Bundesrechnungshofs vom 08.10.2024 nahe (Gz.: VII 5 – 0001755/II). Gerügt wird u.a., dass der wirtschaftliche Einsatz von Bundesmitteln für EfA-Lösungen der Länder und in der Konsolidierung zentraler IT-Komponenten im Bund nicht ausreichend sichergestellt ist. Es scheint folglich auch ein Steuerungsdefizit zu bestehen – dieses könnte durch die Zentralisierung von Ressourcen und Kompetenzen in einem Digitalministerium verbessert werden. Wünschenswert wäre zudem ein umfassendes Finanzierungskonzept, welches dem Konnexitätsprinzip der Finanzverfassung angemessen Rechnung trägt.
Volt kritisiert das OZG 2.0 als unverbindlich und unkonkret. Dazu bemängeln sie fehlende verbindliche Standards, fragmentierte Zuständigkeiten und eine unklare Finanzierung. Sie schlagen deshalb ein zentrales Digitalministerium und einen Digital-Check für Gesetze vor, um bürokratische Hürden abzubauen und eine vollumfängliche Bereitstellung digitaler Lösung zu garantieren.
- Frage EU KI-Verordnung
Während die Sprachmodelle amerikanischer und chinesischer Unternehmen ihre europäischen Konkurrenten immer weiter abhängen, beschließt die Europäische Union den KI-Akt, mit einer sehr weitläufigen Definition von KI. Beispielsweise würde ein Thermostat bereits unter die Definition eines KI-Systems (Art. 3 I) fallen.
Was versteht Ihre Partei unter “KI” und wie gedenkt sie, die rechtliche Auslegung des Begriffes eines KI-Systems weiter zu prägen?
Wir finden, dass eine Definition von KI das Kriterium eines hohen Grades an Autonomie, sowie das Kriterium einer Selbstlernfunktion beinhalten sollte. Beides ist in der Definition der KI-VO sehr allgemein bzw. fakultativ gehalten.
Zwar ist Künstliche Intelligenz eine Technologie, die in allen Lebensbereichen große Auswirkungen haben wird und deshalb einen verantwortungsbewussten Umgang erfordert.
Die EU hat mit der KI-VO jedoch eine sehr umfassende Regelung geschaffen, die möglichst viele Systeme unter einen Hut bekommen will. Dies ist problematisch, da damit Produkte unter die Definition fallen könnten, die keine „KI“ darstellen. Zudem ist das niedrigschwellige Prototyping und Testen von Use Cases erschwert.
Das BMWK spricht im Kontext der KI-VO schon von einem KI-TÜV, von dem Startups ihre Produkte testen lassen müssen. Dies bedeutet in erster Linie weitere Kosten und Zeitaufwand, was beides im Wettbewerb ein Nachteil gegenüber anderen Anbietern ist.
Volt versteht unter “Künstlicher Intelligenz” Systeme, die aus Daten lernen können, darauf basierend Entscheidungen treffen und dadurch menschliche Aufgaben unterstützen oder automatisieren. Sie bewerten die KI-VO weitestgehend positiv, sehen jedoch Überschneidungen mit der DSGVO und deshalb Nachbesserungsbedarf.
- Frage: Access to Justice
Durch das Aufkommen von Sprachmodellen und damit betriebenen Chatbots eröffnet sich ein breites Anwendungsfeld. Die Formulierungen von Gesetzen und deren größerer Zusammenhang stellt für Bürger:innen zum Teil ein Hindernis für das Verständnis ihrer eigenen Rechtsposition dar.
Inwieweit würde Ihre Partei den Einsatz von Sprachmodellen erwägen, um aktuelle Gesetze bzw. das deutsche Rechtssystem für Bürger:innen verständlicher und zugänglicher zu machen?
Wir finden, dass es aufgrund der steten Zunahme von Rechtsnormen eine gute Idee wäre, das Potenzial generativer KI zu nutzen, um Bürger:innen den Inhalt von (neuen) Gesetzen zu erklären. Hier wäre eine Zusammenarbeit des Bundes mit Fachverbänden denkbar, um einen solchen Chatbot zu testen. Da bisher jedoch noch keine Lösung gefunden wurde, um faktenbasierte Antworten der stochastischen Sprachmodelle zu gewährleisten, wäre es ein denkbarer erster Schritt ein Programm zu entwickeln, das bspw. ausschließlich Paragrafen ausgibt, je nachdem wie groß ihre semantische Ähnlichlichkeit zu der jeweiligen Frage ist.
Volt sieht großes Potenzial für den Einsatz von KI in der Justiz, bspw. wie KI-gestützte Inhaltsprotokolle. Bei Sprachmodellen weisen sie jedoch auf das aktuelle Risiko von Halluzinationen und Ungenauigkeiten hin, die bei der Darstellung von Gesetzen unbedingt zu vermeiden sind.
- Frage: Verwaltungsdigitalisierung und Föderalismus
Die Digitalisierung der Verwaltung lebt von freien Datenströmen und einer engen Vernetzung zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen. Gleichzeitig schützt der Föderalismus die Selbstverantwortung der Länder und Kommunen. Oft entsteht
dabei ein Spannungsverhältnis zwischen zentraler Koordination
und föderaler Autonomie.
Wie möchte Ihre Partei die Verwaltungsdigitalisierung gestalten, um den Austausch und die Wiederverwendbarkeit digitaler Lösungen zu fördern und zugleich die föderale Selbstverantwortung wahren?
Wir sehen in der Verwaltungsdigitalisierung eine große Chance, um Prozesse effizienter, transparenter und bürgerfreundlicher zu gestalten. Mutige Investitionen von heute werden in der Zukunft belohnt. Der freie Austausch und die Wiederverwendbarkeit digitaler Lösungen sind dafür essenziell. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass der Föderalismus als tragendes Prinzip der Staatsorganisation gewahrt bleiben muss und die Bundespolitik hier vor einer Herausforderung steht.
Von der Politik erwarten wir insbesondere eine Finanzierungsstrategie, die den Ländern ausreichend Mittel für die Entwicklung moderner, vernetzter Verwaltungsstrukturen zur Verfügung stellt. Im Rahmen eines bundespolitisch geförderten Austausch zwischen den Ländern (Open-Source-Mindset) und durch standardisierte Schnittstellen sollten die besten Lösungen sich schnell bundesweit durchsetzen können und Daten nach dem „Einer für Alle“-Prinzip bundesweit nutzbar werden. Zentralisierte digitale Infrastrukturen – etwa in Form eines Digitalministeriums – können helfen, Koordination und Finanzierung gezielt zu verbessern.
Volt sieht den Bund als “Taktgeber” und fordert ein Digitalministerium, das einheitliche Standards und Datenformate vorgibt. Zudem fordern sie einen IT-Marktplatz, auf dem Entwicklungen geteilt werden können, sodass Ressourcen effizient genutzt werden.
Last Updated on 10. April 2025