Am 4. November 2024 lud der Standort Passau zum Event „Juristische Lernmethoden der Zukunft“ mit Prof. Riehm (Professor an der Universität Passau) und Dr. Wendelin Neubert (Mit-Gründer und Chefredakteur von Jurafuchs) ein.
Nach einer kurzen Vorstellung der Gäste und des Vereins durch Jeremias führte Olesja in die Welt moderner Lernmethoden ein. Sie gab einen kurzen Überblick, welche Lernmethoden existieren, wie Mindmaps, Auswendiglernen, Karteikarten, Skizzen oder Eselsbrücken, und wie digitale Tools wie Anki, Jurafuchs oder diverse Onlineformate wie Juracademy (visuell, auditiv, kommunikativ, motorisch) unterstützen können und welche Möglichkeiten diese für die individuelle Förderung bieten.
Dr. Wendelin Neubert berichtete über die Entwicklung digitaler Lernplattformen wie Jurafuchs und deren Ziel, das juristische Lernen flexibler und zugänglicher zu gestalten. Er verdeutlichte, wie Technologien wie personalisierte Lernsimulationen und asynchrone Formate den Lernprozess bereichern können – ohne dabei das Curriculum durch zusätzlich zu erlernende Digitalinhalte aufzublähen.
Professor Riehm erinnerte eingangs an das grundlegende Lernziel des Jurastudiums: die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte zu erfassen und juristisch zu lösen. Anhand seines eigenen digitalen Lehrbuchs in Form eines Baukastensystems aus seiner Examensvorbereitung demonstrierte er, wie Vernetzungen im Lernstoff die Anwendung juristischer Prinzipien unterstützen können. Gleichzeitig sollten digitale Medien aktiv zum Erwerb echten Wissens genutzt werden, anstatt sie nur passiv zu konsumieren.
In der anschließenden Diskussion diskutierten Professor Riehm und Dr. Wendelin Neubert mit den anwesenden Studierenden und Kursleitenden. Hier sind die wichtigsten Takeaways der Diskussion zusammengefasst:
- Lernmethoden und Didaktik
- Lernansätze und Effizienz
- Aktives Lernen ist wirkungsvoller als passives Lernen. Methoden wie das Schreiben von Klausuren und das Lernen in Gruppen fördern das Verständnis und beschleunigen den Lernprozess. Dabei ist es essenziell, verschiedene Lernmethoden auszuprobieren, um die für sich selbst effektivsten Ansätze zu identifizieren.
- Die in Jurafuchs integrierten Gamification-Elemente stimulieren das Belohnungssystem im Gehirn, etwa durch Funktionen wie „Streaks“, was die Motivation steigern kann.
- Effizienzsteigerung ist jedoch nicht in allen Lernbereichen erstrebenswert. Für komplexere Themen ist ein tieferes Verständnis erforderlich, bei dem es keine „Abkürzungen“ im Verstehensprozess gibt.
- Didaktische Empfehlungen für das Jurastudium
- Der Lernprozess sollte durch den Einsatz unterschiedlicher Bausteine ergänzt werden und zwar vorwiegend, aber nicht ausschließlich auf Fallbearbeitung beruhen, da sich Fälle didaktisch in ihrer Qualität teils stark unterscheiden. Ein ausgewogener Materialmix unterstützt eine umfassende Ausbildung.
- Aus Sicht von Korrigierenden: Studierenden fehlt häufig ein solides Grundlagenverständnis, einschließlich der Fähigkeit, Gesetzesnormen selbstständig zu lesen und anzuwenden.
- Der Schwerpunkt sollte weniger auf isoliertem Detailwissen liegen, das oft nicht praxisrelevant ist. Stattdessen wird empfohlen, nicht Meinungsstreitigkeiten zu lernen, sondern die methodische Anwendung und Interpretation von Normen zu üben.
- Gedächtnistraining und Wiederholung
- Wiederholung und „spaced repetition“ fördern das Langzeitgedächtnis und stärken das sogenannte „Muscle memory“ des Gehirns. Laut der Ebbinghausschen Vergessenskurve vergisst das Gehirn bis zum nächsten Tag rund 66 % der neu gelernten Inhalte.
- Den Lernprozess bewusst erleben
- Das Gefühl der Überforderung ist normal und sollte als natürlicher Teil des Lernprozesses akzeptiert werden.
- Digitalisierung und Künstliche Intelligenz
- Rolle der Digitalisierung im Studium
- Die Prinzipien von aktivem Lernen und kognitiver Aktivierung sind zwar unabhängig von der Digitalisierung, doch kann Digitalisierung das Lernen zugänglicher und massentauglicher machen.
- In der Lehre ist eine „Blended-Learning“-Methode optimal, bei der digitale Inhalte zur Vor- und Nachbereitung von Präsenzveranstaltungen eingesetzt werden. Dies ermöglicht eine flexible und nachhaltige Integration digitaler Werkzeuge ins Studium, ist jedoch oftmals nicht im jetzigen System umsetzbar aufgrund von hochschulbezogenen Vorgaben bzgl. Lehrstunden der Professor:innen.
- Einsatz von KI in der Lehre und berufliche Vorbereitung
- KI kann zur Analyse von Freitextfeldern genutzt werden und könnte in Zukunft als Tool für die Klausurpraxis eingesetzt werden – Jurafuchs setzt dies bereits in kleinem Rahmen um und arbeitet an einer Erweiterung.
- Aktuelle Sprachmodelle sind zwar hauptsächlich auf Umgangssprache trainiert und erreichen noch nicht die erforderliche juristische Präzision, könnten jedoch in Zukunft vermutlich sinnvoll zur Prüfung von Argumentationen verwendet werden.
- Unverzichtbarkeit menschlicher Fähigkeiten
- Trotz steigender Relevanz von KI bleiben menschliche Kompetenzen unverzichtbar, insbesondere, um die Korrektheit des KI-Outputs kritisch zu hinterfragen. Studierende müssen daher weiterhin tiefergehende Kenntnisse erlernen, die über den KI-Einsatz hinausgehen.
- Herausforderungen für Studierende und Lernprozesse
- Verkürzte Aufmerksamkeitsspannen und Belohnungssysteme
- Der Einfluss von Social Media hat die Aufmerksamkeitsspannen vieler Studierender verkürzt, was deren Bereitschaft, sich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen, verringert. Belohnungssysteme können hier motivierend wirken, sollten jedoch nicht die einzige Stütze im Lernprozess sein.
- Sprache und Ausdruck
- Einfachheit und Verständlichkeit
- Juristische Sprache sollte möglichst klar und verständlich formuliert sein. Auf sprachliche Hürden wie Substantivierungen und doppelte Verneinungen sollte verzichtet werden, um das Verständnis zu erleichtern.
Wir bedanken uns für die rege Teilnahme an der Diskussion durch Studierende und Kursleitende. Mit einem frischen Blick auf die Zukunft des juristischen Lernens lässt sich festhalten, dass es keinen One-size-fits-all-Ansatz gibt – und altbewährte Lerntechniken nach wie vor aktuell sind, mit digitaler Unterstützung aber teilweise noch ergänzt werden können.
Last Updated on 11. November 2024