NewLawRadar 79/24 – Veranstaltungen, digitale Zivilprozesse und der integrierte Bachelor in NRW

Editor’s Ramble #79

Liebe Leser:innen,
herzlich willkommen zur aktuellen – diesmal etwas längeren – Ausgabe unseres Newsletters, in dem wir Euch einen umfassenden Überblick über die jüngsten Entwicklungen im Rechtswesen und dessen Digitalisierung geben.

Mit dem grenzüberschreitenden digitalen Zivilprozess geht Deutschland voran und ermöglicht schon jetzt die Teilnahme per Videokonferenz – und das, noch bevor die EU-weite Regelung in Kraft tritt. Wie das genau aussieht und was das für die europäische Zusammenarbeit bedeutet, erfahrt Ihr im ersten Artikel.

Ein zentrales Thema ist auch das viel diskutierte KI-Training im Kontext des Urheberrechts: Das Urteil des LG Hamburg zur Nutzung geschützter Inhalte für KI-Trainings sorgt für Klarheit und könnte einen wichtigen Impuls für die weitere Entwicklung geben.

Innovativ bleibt auch das Jurastudium in NRW, das nun flächendeckend einen integrierten Bachelor anbietet. Dieser Schritt könnte Signalwirkung für ganz Deutschland haben und das Studium der Rechtswissenschaft attraktiver und effizienter machen.

Im internationalen Tech-Bereich wirft Google’s neues Play-Store-Urteil Fragen zum fairen Wettbewerb auf. Welche Änderungen jetzt auf Entwickler und Nutzer zukommen, beleuchten wir im Detail.

Wir werfen einen Blick auf eine aktuelle Benchmarkstudie zu KI-Lösungen in der Kanzleiarbeit, die führende Anwendungen wie Harvey und Thomson Reuters objektiv vergleicht. Diese Ergebnisse könnten die zukünftige Arbeit in Kanzleien maßgeblich prägen!

Die EU-Kommissionspräsidentin verschickte im letzten Monat ihre Mission Letters, aus welchen sich die Pläne für die kommenden Jahre abzeichnen.

Dann weisen wir auf unsere Veranstaltungen hin: recode.talks mit Prof. Dr. Martin Fries am 19.11., Klauselduell mit YPOG am 21.11.2024 und Juristische Lernmethoden der Zukunft mit Prof. Thomas Riehm und Dr. Wendelin Neubert am 04.11.

Abschließend geben wir noch einen Tipp für Legal Tech Startups zum Legal Tech Colab.

Wir hoffen, dass diese Ausgabe Euch neue Einblicke bietet und zum Nachdenken anregt. Viel Spaß beim Lesen!

Redaktion: Jeremias, Nils, Dennis, Jakob, Paul, Katharina und Lena.

Wir sind gespannt auf Eure Meinung! Wir freuen uns über eure Vorschläge und Feedback. Schickt uns einfach eine E-Mail an radar@recode.law!

 

Digitaler Zivilprozess

Grenzüberschreitender Zivilprozess: Deutschland auf der digitalen Überholspur

Staatsgrenzen gelten auch in der digitalen Welt, zumindest was die Ausübung von Hoheitsgewalt angeht. Das ist insoweit misslich, dass die digitalen Mittel, die für den Zivilprozess technisch zur Verfügung stehen, auch eine Kommunikation und Teilnahme an Verhandlungen weit über die Grenzen eines Staates hinaus zulassen würden und damit den Parteien eine zugänglichere Justiz bieten könnten.

Dies hat auch die Europäische Union erkannt und hat im Dezember 2023 die VO (EU) 2023/2844 zur Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit und des Zugangs zur Justiz erlassen. In deren Art. 5 wird nun die Möglichkeit eröffnet, Parteien oder deren Vertreter, die sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, an einer Verhandlung mittels Videokonferenztechnologie zu beteiligen. Dafür war bisher die Genehmigung durch den Aufenthaltstaat des betroffenen Prozessbeteiligen notwendig. Diese entfällt nun.

Zwingend ist die Zulassung einer Teilnahme via Videokonferenz aus einem Mitgliedstaat aber weiterhin nicht: Grundsätzlich steht die Zulassung im Ermessen des Gerichts unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit entsprechender Systeme, der Meinung der Parteien zum Einsatz von Videokonferenztechnologie und ob deren Einsatz im jeweiligen Einzelfall angemessen ist (Art. 5 I lit. a – c).

Ob dieses Gerichtsermessen sinnvoll ist oder die Parteien eine Videoteilnahme auch erzwingen können sollten, wurde im nationalen Kontext bereits ausführlich im Rahmen der Neufassung des § 128a ZPO diskutiert, wobei sich die Argumente übertragen lassen. Letztlich entzündet sich der Streit dabei an der Schnittstelle zwischen gerichtlicher Verfahrensleitung und Verfahrensherrschaft der Parteien. Welcher Seite man eher zuneigt, mag oft Praktikabilitätserwägungen folgen.

Eine weitere Einschränkung der Verhandlungsteilnahme via Videokonferenz besteht: weder Zeugen noch Sachverständige, die sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, können ohne Rechtshilfeersuchen nach der EuBVO im Rahmen der Videoteilnahme vernommen werden (Art. 1 I lit. a VO (EU) 2020/1783). Dies geht damit einher, dass die Vernehmung von Zeugen als Ausübung von Hoheitsgewalt und Zwang verstanden wird, die auch bei Vernehmung über Bild-Ton-Übertragung die Souveränität des Staates beeinträchtigt, in dem sich die vernommene Person – abweichend vom Prozessgericht – befindet (vgl. Musielak/Voit/Stadler, 21. Aufl. 2024, ZPO § 128a Rn. 8). Dieses Hindernis wird damit auch durch die neue VO (EU) 2023/2844 nicht beseitigt.

Warum nun aber Deutschland auf der “digitalen Überholspur”? Wie das Bundesamt für Justiz mitteilt hat Deutschland – abweichend vom zwingenden Inkrafttreten der Verordnung am 01.05.2025 – die vorzeitige Anwendbarkeit des Art. 5 VO (EU) 2023/2844 bereits ab 01.10.2024 erklärt. Damit ist Deutschland bisher der einzige EU-Mitgliedstaat, der bereits jetzt die Einbindung von Prozessbeteiligten aus einem anderen Mitgliedstaat durch Bild-Ton-Übtertragiung im Zivilprozess zulässt.

Wenn auch die Möglichkeiten, an welchen Verfahrenshandlungen man aus einem anderen Mitgliedstaat teilnehmen kann, beschränkt sind, so ist es doch ein großer Fortschritt, dass beispeilweise Prozessvertreter aus anderen Mitgliedstaaten von dort aus wirksam Anträge stellen können, ohne zuvor ein Rechtshilfegesuchen einreichen zu müssen. Dass Deutschland diese Möglichkeit nun auch noch sieben Monate früher als vorgesehen umsetzt, ist sehr erfreulich. Es bleibt abzuwarten, wie rege die “digitale Überholspur” dann tatsächlich auch eingesetz wird!

 

Rechtmäßigkeit von KI-Training im Rahmen des deutschen Urheberrechts

Entscheidung des LG Hamburg zu LAION

(Az.: 310 O 227/23)

A. Urheberrechtliche Basis

Das deutsche Urheberrechtsgesetz (UrhG) regelt nicht nur die Schaffung von urheberrechtlichen Werken, die im Rahmen von Künstlicher Intelligenz heiß umstritten ist, sondern auch die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken. Für ein qualitatives KI-Training ist im Regelfall auch die Nutzung von urheberrechtlichen Werken erforderlich. Dies liegt insbesondere an der niedrigen Schutzschwelle des Urheberrechts. Ob ein Werk urheberrechtlichen Schutz genießt, richtet sich nach § 2 II UrhG. Demnach sind Werke im Sinne des UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen. Beispielhaft werden in § 2 I UrhG einige Kategorien von Werken aufgeführt, die geschützten Charakter aufweisen können, darunter Werke, Sprachwerke, wie Schriftwerke oder auch Computerprogramme, Lichtbildwerke oder auch Filmwerke.

Dabei ist das Prinzip der kleinen Münze zu beachten, wonach die Anforderungen an die Schöpfungshöhe eines Werkes nicht zu hoch angesetzt werden sollen und somit sehr früh Werkcharakter und somit urheberrechtlicher Schutz gegeben ist.

Handlungen wie die Vervielfältigung nach § 16 UrhG, die Verbreitung nach § 17 UrhG, die öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG und weitere urheberrechtlich relevanten Handlungen sollen zunächst exklusiv dem Rechteinhaber zustehen.

Soll ein urheberrechtlich geschütztes Werk genutzt werden, so muss diese Nutzung lizenziert oder von einer Schranke gedeckt sein.

Für das Training einer KI wird typischerweise eine enorme Menge von Daten benötigt. Diese werden oft unter Zuhilfenahme von Webscrapern aus dem Internet gewonnen. Dabei hat die individuelle Lizenzierung den Nachteil, dass es quasi unmöglich ist für jeden Rechteinhaber eines Werkes im Internet bei der großen Datenmenge eine Lizenz einzuholen. Ebenfalls sind nicht alle Rechteinhaber innerhalb einer Verwertungsgesellschaft wie der GEMA organisiert, womit auch die Einholung im Rahmen einer kollektiven Lizenz an ihre Grenzen stoßen würde. Die erweiterte kollektive Lizenz überwindet zwar dieses Problem, jedoch ist diese theoretische Möglichkeit in der Praxis noch nicht verbreitet.

Für die meisten Anwendungen bleibt aktuell nur die Möglichkeit, sich auf die Schranken des UrhG zu stützen. Konkret in Betracht für das KI Training kommen insbesondere die vorübergehende Vervielfältigung nach § 44a UrhG und die Text- und Datamining Schranke in seiner wissenschaftlichen Ausprägung nach § 60d UrhG und einer kommerziellen Ausprägung nach § 44b UrhG. Dabei stellt das deutsche UrhG im Falle des kommerziellen Text- und Dataminings die Umsetzung der europäischen DSM-Richtlinie dar. Die Schranke des Text- und Dataminings zu wissemnschaftlichen Zwecken nach § 60d UrhG geht auf Grund der Bedeutung der wissenschaftlichen Forschung in einigen Aspekten deutlich weiter als die Text und Datamining Schranke zu kommerziellen Zwecken des § 44b UrhG.

Da eine lediglich vorübergehende Vervielfältigung für ein KI-Modell, welches einen Trainingsdatenkorpus für das Training erstellt nicht anwendbar ist, ist diese theoretische Möglichkeit praktisch nur auf einen Teil des Trainingsprozesses anwendbar oder nur auf Modelle die lediglich ein KI-Training im Arbeitsspeicher vornehmen, ohne eine dauerhafte Speicherung in einem ihrer Prozessschritte vorzunehmen. Im Bereich der wissenschaftlichen Forschung ist dies auf Grund der fehlenden Validierungsmöglichkeit der Ergebnisse nicht mit wissenschaftlichen Standards vereinbar.

Im Vordergrund stehen daher die beiden Text- und Datamining Schranken. Hoch umstritten ist, ob die Text- und Datamining Schranken überhaupt auf das KI-Training Anwendung finden können. Dies vereint beispielsweise die kürzlich erschienen interdisziplinäre Studie „Urheberrecht und Training generativer KI-Modelle“ von Prof. Dornis (Rechtswissenschaften) und Prof. Stober (Informatik). Verkürzt wird argumentativ insbesondere darauf abgestellt, dass das KI-Training und das klassische Text und Datamining einem unterschiedlichen Zweck folgen. Beim Text- und Datamining sollten Muster und Strukturen in bestehenden Datensätzen analysiert werden, während es beim KI-Training darum geht, neue Werke zu generieren. Ebenfalls wird ins Feld geführt, dass im Rahmen der Einführung der Text- und Datamining Schranke nicht explizit von Künstlicher Intelligenz als Anwendungsfall gesprochen wurde.

Andererseits sprechen auch gute Argumente für eine Anwendbarkeit auf das KI-Training. Unter anderem sollte die Schranke technologieoffen ausgestaltet werden. Außerdem gehen einige Stimmen davon aus, dass der europäische Gesetzgeber durch einen Verweis in der KI-VO auf die Text-und Datamining Schranke diese auch für das KI-Training anwendbar hält. Im Ergebnis würde die Subsumierung des KI-Training unter die beiden Schranken des Text- und Dataminings dem Willen des deutschen und europäischen Gesetzgebers entsprechen.

Neben der grundsätzlichen Anwendbarkeit auf das KI-Training sind generell weitere Aspekte der Text- und Datamining Schranke weitgehend ungeklärt. Beispielsweise ist die Speicherdauer im Rahmen des § 44b UrhG deutlich enger ausgestaltet als im privilegierten § 60d UrhG für die Wissenschaft. Teilweise wird dies jedoch nicht für haltbar erachtet. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der KI-VO, der für einige Systeme im Rahmen der Transparenz Nachweispflichten vorschreibt, die sonst nicht eingehalten werden könnten. Ebenfalls ist es fraglich, ob der vorgegebene Zweck bei § 44b UrhG überhaupt jemals eintreten kann. Konkret sollen die Werke gelöscht werden, wenn der Trainingsprozess abgeschlossen ist. Teilweise wird jedoch angenommen, dass dieser Zustand nie eintreten kann, da ein KI-System, welches nicht mehr weiter trainiert wird, droht, einem Model-Drift ausgesetzt zu sein. Dieser tritt ein, wenn die Daten im Modell derart veraltet sind, dass die Vorhersagen des Modells immer ungenauer werden. Dies konnte in den letzten Jahren auch gut beobachtet werden bei älteren Versionen von Chat-GPT, bei denen die Trainingsdaten nicht mehr aktuell waren.

Ebenfalls kann im Rahmen des § 44b UrhG ein Vorbehalt gegen die Nutzung durch die Rechteinhaber erklärt werden, um die Nutzung seiner Werke im Rahmen der Schranke doch zu untersagen. Dieser muss jedoch maschinenlesbar sein. Wie dies konkret ausgestaltet sein muss, hat der Gesetzgeber jedoch offen gelassen.

In dieser und noch weiteren offenen Fragen muss die Praxis der Rechtsprechung zeigen, welche Möglichkeiten hier gegeben sind und welche nicht.

B. Sachverhalt

Im konkreten Fall hatte ein Stockfotograf den gemeinnützigen Verein LAION verklagt, da dieser seine Bilder für das KI-Training gesammelt hatte und aus diesen einen Trainingsdatensatz erstellt hatte, der von einigen KI-Betreibern verwendet wurde. Der Stockfotograf sah in dem Sammeln der Trainingsdaten und der Erstellung der Trainingsdatensatz eine Verletzung seines Urheberrechts.

Der Vereinszweck von LAION ist die Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz zu unterstützen und kostenfreie Datensätze für wissenschaftliche Zwecke bereitzustellen, stützte sich die Verteidigung in diesem Fall auf die Schranke des § 60d UrhG.

Im Ergebnis sieht das LG Hamburg die Handlungen des Vereins von der urheberrechtlichen Schranke als gedeckt an.

Der Kläger hat drei Monate Zeit, gegen dieses Urteil in Berufung vor dem hanseatischen OLG zu gehen.

C. Bedeutung des Urteils

Als erstes richtungsweisendes Urteil kommt diesem eine besondere Beachtung zu. Im Vordergrund steht insbesondere die Bejahung des KI-Trainings als Gegenstand der urheberrechtlichen Text- und Datamining Schranke, obwohl dies erst wenige Wichen zuvor in der viel beachteten interdisziplinären Studie abgelegt worden war.

Damit wird bis zu einem gewissen Grad etwas mehr Rechtssicherheit geschaffen für die Trainingsdatensammler und das KI-Training als solches. Eine erhöhte Rechtssicherheit kann zu mehr Innovationen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz in Deutschland führen. Spannend wird es sein wie sich die Rechtsprechung in den ersten Urteilen zum § 44b UrhG verhalten wird, da die kommerzielle Nutzung und die deutlich mehr offenen Fragen in diesem Kontext eine enorme Rolle für die wirtschaftliche Nutzung von KI-Modelle in Deutschland und der europäischen Union spielen wird.

 

Sollte der Rest Deutschlands mitgehen?

NRW führt ein: Integrierter Bachelor im Rechtswissenschaftsstudium

Der nordrhein-westfälische Landtag hat am 09. Oktober das „Gesetz zur Einführung des integrierten Bachelors im Studium der Rechtswissenschaft mit dem Abschluss erste Prüfung sowie betreffend das duale Studium und zur Änderung des Juristenausbildungsgesetzes“ verabschiedet. Wie der Name vermuten lässt, wird der Erwerb eines integrierten Bachelors ermöglicht. Ab Inkrafttreten in einem halben Jahr und rückwirkend bis zum ersten April 2017 kann Studierenden der Bachelorgrad verliehen werden, sofern sie gemäß dem neu hinzugefügten Absatz 1a des § 66 Hochschulgesetz (HG) die

1. „Voraussetzungen für die Zulassung zur staatlichen Pflichtfachprüfung gemäß § 7 Absatz 1 des Juristenausbildungsgesetzes Nordrhein-Westfalen erfüllen oder zur staatlichen Pflichtfachprüfung in Nordrhein-Westfalen zugelassen wurden und

2. die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung im Sinne des § 5 Absatz 1 des Deutschen Richtergesetzes […] an einer Universität in Nordrhein-Westfalen bestanden haben.“

NRW schlägt mit diesem Schritt eine neue Richtung ein. Einige Universitäten deutschlandweit haben zwar schon integrierte Bachelor-Abschlüsse eingeführt, doch NRW hebt sich nun durch die landesweite Regelung besonders hervor. Das bringt nun ein interessantes Ungleichgewicht mit sich, das voraussichtlich mit mehr Jurastudierendenden in NRW in den kommenden Semestern seine Auswirkungen zeigen wird.

Allerdings bringt der integrierte Bachelor sehr viele Vorteile, die eventuell andere Bundesländer zum baldigen Nachziehen anregen: Ein Jurastudium ist lang. Wird das Staatsexamen am Ende nicht bestanden, steht der Studierende nach fünf bis sechs Jahren ohne Abschluss da. Ein Bachelor-Abschluss würde das verhindern und das Jurastudium wirtschaftlicher und effizienter gestalten.

Außerdem benötigt nur ein Teil der Studierenden tatsächlich beide Staatsexamina für ihren oder seinen Wunschberuf. Viele wollen lieber in den Wirtschafts- und Privatsektor gehen; hier würde ein Bachelor-Abschluss ihnen ermöglichen, sich bereits ein Jahr früher durch einen Master zu spezialisieren. Denn der Arbeitsmarkt benötigt spezialisierte Juristen (dringend).

Programme wie das Doppelstudium mit Legal Tech in Passau, einem unserer recode.law Standorte, hat trotz der zukunftsträchtigen Relevanz nur sehr wenig Studierende. Ein sehr großer Grund dafür ist das ohnehin schon anstrengende und zeitintensive, reine Jurastudium. Wieso sollte ein zusätzlicher. juristischer Studiengang gewählt werden, wenn in der Arbeitswelt später nur das Examen zählt? Ein integrierter Bachelor würde diesen Druck wegnehmen und neue Möglichkeiten für innovative Ausbildungskombinationen eröffnen. Möglichkeiten, die es dringend bedarf, um das alte, verstaubte, ineffektive System zu modernisieren.

Hoffentlich gibt NRW durch den neu erlassenen Absatz 1a den (längst überfälligen) Anstoß, die andauernde Debatte über Veränderungen im Jurastudium endlich aus der Theorie in die Praxis zu holen. Ob andere Bundesländer nachziehen werden, bleibt leider abzusehen.

 

DMA in den USA

Google unter Zugzwang: Bald fairer Zugang zum Play Store?

Der Markt für mobile Apps ist zu einem milliardenschweren Geschäft herangewachsen, das maßgeblich durch einige wenige große Tech-Unternehmen dominiert wird. Google, einer der Giganten dieser Branche, steht nun erneut im Fokus. Nach der Europäischen Kommission hat nun auch ein US-Bundesgericht den Konzern ins Visier genommen.

Bereits 2023 stellte ein US-Gericht fest, dass Google seine dominante Position im Mobilbereich gezielt genutzt hat, um den Wettbewerb zu behindern. Besonders problematisch war dabei die Kontrolle über App-Distribution und Zahlungsoptionen innerhalb des Play Stores. Entwickler und Unternehmen, die ihre Apps über Googles Plattform vertreiben wollten, wurden hohen Gebühren unterworfen. Der Konzern sicherte sich so nicht nur bedeutende Einnahmen, sondern schränkte auch die Wahlmöglichkeiten für Nutzer und Anbieter massiv ein.

Um diese monopolartigen Strukturen zu durchbrechen und den Markt für kleinere Anbieter zu öffnen, hat das US-Bundesgericht in San Francisco Google nun verpflichtende Auflagen erteilt, die das Unternehmen ab November 2024 für die nächsten drei Jahre umsetzen muss:

  1. Dritt-App-Stores im Play Store: Google wird dazu verpflichtet, Drittanbieter-App-Stores innerhalb des Play Stores zuzulassen und diesen Zugang zum gesamten App-Katalog zu gewähren.

  2. Freiheit bei Zahlungsmethoden: Entwickler dürfen künftig ihre eigenen Zahlungsmethoden anbieten und Nutzer aktiv darauf hinweisen.

  3. Direkte Downloads: Nutzer sollen Apps künftig auch direkt von den Webseiten der Entwickler herunterladen können.

  4. Flexible Preisgestaltung: Die neuen Regelungen erlauben es Entwicklern, ihre Preisgestaltung frei festzulegen und ihre App-Preise flexibler anzupassen.

Diese Maßnahmen sollen Entwicklern und anderen App-Anbietern mehr Freiheit und Zugang zum Markt ermöglichen und den Wettbewerb auf dem digitalen App-Markt wiederbeleben. Wie gut sich der Play Store tatsächlich für den freien Wettbewerb öffnet und ob die Maßnahmen die gewünschte Wirkung erzielen, werden die nächsten Jahre zeigen.

 

Legal Tech Basics

KI im Rechtwesen – Benchmarkstudie für KI-Lösungen in der Kanzleiarbeit

Vals AI führt eine Benchmarkstudie zu den im Rechtswesen meist genutzten KI Anwendungen durch. Hierbei handelt es sich um das erste Mal, dass verschiedene Kanzleien und Anbieter gemeinsam an einer objektiven Begutachtung der KI Lösungen anhand realer Fallbeispiele mitwirken.

Benchmarkstudie: Systematische Analyse, bei der die Leistung, Qualität oder Effizienz eines Produkts im Vergleich zu einem festgelegten Standard oder zu den besten Praktiken der Branche gemessen wird.

Ziel ist es, Effizienz und Genauigkeit der untersuchten Anwendungen zu identifizieren und herauszufinden, wie gut diese im Verhältnis zu vergleichbaren Produkten oder Dienstleistungen abschneiden.

Hintergrund:

Bereits im letzten Jahr veröffentlichte Benchmark-Studien zu KI im Rechtswesen zeigten häufig widersprüchliche Ergebnisse. Besonders bei juristischen Recherchen schnitt KI oft unter dem menschlichen Niveau ab, was zu Unsicherheit und Zweifeln an der Nützlichkeit der KI-Lösungen führte. Mit der genannten Studie soll durch eine unabhängige Bewertung mehr Klarheit und Vertrauen geschaffen werden.

Untersucht werden die folgenden Anwendungen der folgenden Anbieter:

  • Harvey

  • LexisNexis

  • Thomson Reuters

  • VLex

  • VecFlow

Insbesondere soll der Nutzen der KI Instrumente in den Bereichen

  • Transaktionen

  • Streitbeilegung

  • Beratung

  • Dokumentenmanagement

  • Fallanalyse

  • Research im juristischen sowie wirtschaftlichen Kontext

analysiert werden.

Hierfür kooperiert Vals AI mit US-Kanzleien, wie Reed Smith and Fisher Phillips, AI Vendors, and ALSP, Cognia.

Ablauf

Die teilnehmenden Kanzleien stellen eine Auswahl an nicht-vertraulichen oder öffentlich zugänglichen Dokumenten sowie dazugehörige Modellantworten bereit.

Die Fragen und Dokumente werden sowohl den KI-Plattformen als auch einer Vergleichsgruppe von unabhängigen Anwälten vorgelegt, anhand der menschlichen Bearbeitung einen Referenzmaßstab zu erstellen.

Mittels einer eigenen Auto-Evaluationsplattform, werden KI-generierte Antworten und Referenzantworten sodann blind gegenübergestellt. Berücksichtigt werden in einem Kriterienkatalog festgelegte Aspekte wie Genauigkeit, Nützlichkeit, Qualität der Zitate, Stil und Format.

Fehlgeschlagene automatisierte Antworten sowie komplexe juristische Recherchen werden von unabhängigen Rechtsbibliothekaren geprüft.

Der Zeitraum der Studie ist für Oktober und November 2024 angesetzt, sodass die Veröffentlichung des Abschlussberichts bereits für Dezember 2024 vorgesehen ist. Wir halten Euch auf dem Laufenden!

*Vals AI ist ein junges Unternehmen, das von einem Team aus Informatikern, Jurastudenten, Beratern und Branchenexperten an der Stanford University geleitet wird. Das Ziel ist die Entwicklung robuster Benchmarks und neutraler Empfehlungen für den Einsatz generativer KI in branchenspezifischen Aufgaben.

*Legaltech Hub (LTH) ist ein führendes Unternehmen für Einblicke und Analysen im Bereich Legal Tech und Innovation.

Für jetzt wollen wir noch die Möglichkeit nutzen die untersuchten KI Lösungen knapp darzustellen:

Harvey

Harvey.ai bietet spezialisierte KI-Lösungen für die juristische Branche. Relevante Funktionen sind insbesondere die juristische Dokumentenanalyse, Compliance-Überwachung, sowie Workflow- und Rechercheautomatisierung und die Bereitstellung virtueller Datenräume. Genutzt wird Harvey bereits von Kanzleien wie Allen & Overy und PwC.

Thomson Reuters

Thomson Reuters bietet KI-Lösungen in verschiedenen Bereichen an. Hierzu zählt CoCounsel als generativer KI-Assistent, sowie Westlaw Edge für KI-gesteuerte Recherche auf Basis von juristischem Fachwissen. Die Plattform bietet darüber hinaus unter anderem spezielle Werkzeuge zur Automatisierung von Dokumentenprüfung und Vertragsanalyse.

Lexis Nexis

Die Plattform “Lexis+ AI” stellt insbesondere KI-Werkzeuge und Datenbanken für juristische und Unternehmensrecherche zur Verfügung. Außerdem verfügt sie über Funktionen zur Zusammenfassung und Analyse von Texten sowie Datenextraktion

vLex

vLex bietet mit “Vincent AI” eine KI-gestützte juristische Rechercheplattform basierend auf einer umfangreichen Datenbank. Zur Rechercheautomatisierung kommen weitere grundlegende Assistenzfunktionen, wie individuelles Workflowmanagement, Rechtsvergleichung und Textanalyse. Genutzt wird vLex beispielsweise von DLA Piper, Bird & Bird und Deloitte legal.

Vecflow

Vecflow entwickelt spezialisierte KI-Modelle für den juristischen Bereich. Mit “Oliver” soll es den ersten AI legal assistant geben, der autonom recherchiert, Entwürfe verfasst und korrekturlesen kann.

 

Von der Leyen versendet “Mission Letter”

Briefe von Ursula

Die Mitte Juli wiedergewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat letzten Monat ihre Kandidaten für die hohen Ämter in der Schaltzentrale der EU vorgelegt. Höchste Zeit, hinsichtlich Digitalisierung & Co. zu überprüfen, welche Pläne sich für die kommenden knapp fünf Jahre aus den ursprünglichen Wahlprogrammen herauskristallisiert haben. Einen Einblick gewähren seit 2009 die an die Kandidaten versandten „Mission Letters“.

Dreh- und Angelpunkt der Digitalisierung wird in der neuen Kommission Henna Virkkunen(EVP). Konkrete Vorhaben sollen verbesserte Zertifizierungen für Cybersicherheit, die Bereitstellung von (Super-)Computing-Kapazitäten für die KI-Industrie, eine Cloud-Strategie für die Verwaltung, die Weiterführung des Chips Act (auch im Hinblick auf Quantumcomputing) und eine Strategie für den einheitlichen Datenaustausch innerhalb Europas werden. KI soll die Verbrechensbekämpfung erleichtern. Daneben sollen schnelles Internet und der Digital Identity Wallet priorisiert werden. Virkkunen soll zudem weitere Anwendungsfelder der KI-Nutzung identifizieren.

Ebenfalls bereits konkreter instruiert wurde Roxana Mînzatu (S&D): Sie soll Regeln zur algorithmengestützten Performance-Bewertung von Arbeitskräften (Antwortzeiten, Arbeitstempoziele, …) sowie ein Recht auf „Abschalten“ schaffen. Apostolos Tzitzikostas(EVP) wird eine Verordnung über die einheitliche digitale Buchung und Ausstellung von Fahrscheinen sowie eine Strategie für Hyperloops vorlegen. Magnus Brunner (EVP) soll online insbesondere gegen sexuellen Kindesmissbrauch und Terrorismusinhalte vorgehen sowie die Vorgaben zu digitalen Zugängen und Vorratsdatenspeicherung im Rahmen der Strafverfolgung überarbeiten. Gebietsübergreifend wird die neue Kommission Maßnahmenpläne für Cybersicherheit (insbesondere im Gesundheitswesen) und für Cyberbullying sowie einen Digital Fairness Act gegen ausbeuterische Online-Modelle erarbeiten. Daneben soll ein Europäischer KI-Forschungsrat geschaffen werden.

Mit Ausnahme der Beauftragung mit dem bereits laufenden Projekt des digitalen Euro (Valdis Dombrovskis, EVP) bleiben die Mission Letters im Übrigen abstrakter. Olivér Várhelyi wird einen gemeinsamen Gesundheitsdatenraum aufbauen und Leitlinien für den KI-Einsatz im „Lebenszyklus von Arzneimitteln“ aufsetzen. Ekaterina Zaharieva (EVP) wurde mit der Suche nach solchen „vertrauenswürdigen Investoren“ betraut, die Deep-Tech-Startups fördern wollen. Maria Albuquerque (EVP) soll Rahmenbedingungen für den offenen Zugang zu Finanzdaten für Unternehmen schaffen und einen KI-Einsatz im Finanzsektor prüfen. Andrius Kubilius (EVP) wird die erste Strategie für aus dem Weltraum gewonnene Daten entwerfen.

Auch Michael McGrath (Justiz, Renew), Teresa Ribera (Transformation, S&D), Wopke Hoekstra (Steuern), Glenn Micallef (Kultur) und Dan Jørgensen (Energie, S&D) werden sich mit der Einführung von KI beschäftigen. Schließlich drängt von der Leyen generell auf eine (weitergehende) Digitalisierung des Justizwesens, der Verbrechens- und Steuerhinterziehungsbekämpfung, des Grenzschutzes inkl. Visaverfahren, des Verkehrswesens und von Finanztechnologien. Auch E-Commerce-Plattformen drängen mehr in den Fokus.

Sollten die Anhörungen der Kandidaten durch das EU-Parlament – wie regelmäßig der Fall – erfolgreich verlaufen, kann die Kommission voraussichtlich Mitte November mit ihrer Ernennung (en bloc) die Arbeit aufnehmen.

 

Veranstaltungs-Tipp

recode.talks mit Prof. Dr. Martin Fries (BSP Business & Law School)

Am 19.11. um 19 Uhr reden wir mit Prof. Dr. Martin Fries, LL.M. (Stanford) von der BSP Business & Law School. Wie er dort seinen Lehrstuhl für Legal Tech und Zivilrecht interpretiert, erörtern wir unter anderem. Daneben reden wir über seinen Werdegang und sein starkes Engagement in der (Online-)Lehre.

Wie immer ist Beteiligung in Form von Fragen und Diskussion erwünscht.

Daten zum Zoom Meeting:

> Hier geht’s zum Meeting

Meeting-ID: 835 9072 1605

Kenncode: 595765

Veranstaltungs-Tipp

“Klauselduell – Ein Workshop zu zukunftsorientierter Kanzleiarbeit für angehende Jurist:innen” bei YPOG in Hamburg am 21.11.2024 ab 15:30 Uhr

Tauche ein in die Welt der juristischen Technologie und finde heraus, wie moderne Tools die tägliche Arbeit in Kanzleien erleichtern können – aber auch, wo ihre Grenzen liegen.

Du hast die Chance, auf einer speziellen Oberfläche verschiedene Technologien rundum Text-Distanz Metriken und Large Language Models hautnah zu erleben. Der Workshop wird auf Deutsch stattfinden.

Nach dem Workshop hast Du die Möglichkeit, Dich mit anderen Teilnehmer:innen, YPOG und recode.law bei einem Ausklang mit Fingerfood und Getränken (in der hauseigenen SYD-Bar) auszutauschen.

Melde Dich bis zum 10.11.2024 an unter: https://recode.law/veranstaltung/klauselduell-ein-workshop-zu-zukunftsorientierter-kanzleiarbeit-fuer-angehende-juristinnen/.

Veranstaltungs-Tipp

Juristische Lernmethoden der Zukunft mit Prof. Thomas Riehm und Dr. Wendelin Neubert

Am 4. November 2024 um 18 Uhr s.t. im WiWi HS 7 diskutieren Prof. Thomas Riehm und Dr. Wendelin Neubert (Mitgründer von Jurafuchs) über innovative digitale Lernmethoden im Jurastudium. Von Lern-Apps über digitale Karteikarten bis zur Nutzung von ChatGPT – die Möglichkeiten sind vielfältig, doch auch kritisch zu hinterfragen: Welche Risiken gibt es, und was bedeutet das für traditionelle Lernansätze?Sei dabei und erfahre, wie du die Zukunft des Lernens mitgestalten kannst!

Datum: 4. November 2024
Uhrzeit: 18:00 Uhr s.t.
Ort: WIWI HS 7 an der Uni Passau

 

 

Tipp

Legal Tech Colab

Wir möchten kurz auf das Legal Tech Colab in München aufmerksam machen.
Das Legal Tech Colab (LTC) ist eine non-profit Initiative von UnternehmerTUMTUM Venture Labs und dem Bayerischen Staatsministerium für Justiz. Das LTC bietet nicht nur eine Plattform für den Austausch zwischen Legal Tech Start-Ups und der Rechtsbranche in Europa, sondern bietet Gründer:innen auch ganz konkrete Unterstützung für ihre Gründung im Legal Tech Bereich.
Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Jurist:innen, Techies und Unternehmer:innen entsteht ein Raum, in dem Ideen für Start-ups direkt umgesetzt werden können. Von der ersten Konzeptentwicklung über die technische Umsetzung bis hin zu rechtlichen Aspekten der Gründung – Teilnehmende werden auf dem gesamten Weg unterstützt. Workshops, Mentoring und Networking-Events bieten wertvolle Ressourcen, um aus einer innovativen Idee ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Für Gründer:innen und solche, die es werden wollen, ist das Legal Tech Colab der ideale Ort, um ihr Projekt zu starten und so die Zukunft des Rechtsmarkts aktiv mitzugestalten.

Du bist Gründer:in eines Legal Tech Start-Ups oder überlegst, in diesem Bereich zu gründen?
Hier kannst du dich als Mitglied beim LTC bewerben.

Du willst über die neusten Entwicklungen und Events beim Legal Tech Colab informiert bleiben?
Hier kannst du den LTC Newsletter abonnieren.

Last Updated on 31. Oktober 2024