NewLawRadar 85/25: JuMiKo – Legal Tech Partnerschaften – Disney v. Midjourney

Liebe Leser:innen,
herzlich willkommen zur aktuellen Ausgabe unseres Newsletters, in dem wir Euch einen umfassenden Überblick über die jüngsten Entwicklungen im Rechtswesen und dessen Digitalisierung geben.
In dieser Ausgabe geht es um die Justizministerkonferenz, die erneut keine Position zur dringend nötigen Reform der juristischen Ausbildung bezieht.
Außerdem werfen wir einen Blick auf neue strategische Partnerschaften im Legal Tech-Bereich, die zeigen, wie mächtig Kooperationen für Innovation sein können.
Ebenfalls interessant: Die Klage von Disney und Universal gegen Midjourney rückt das Spannungsfeld zwischen KI und Urheberrecht erneut ins Rampenlicht.
Wenn Ihr mehr über die Innovationen in der Rechtsbranche lernen wollt, haben wir am Ende noch einen besonderen Tipp für Euch: eine Einladung zu unserer AI&Law Conference 2025 am 27. Juni.
Wir hoffen, dass diese Ausgabe Euch neue Einblicke bietet und zum Nachdenken anregt. Viel Spaß beim Lesen.
Sendet uns gerne Feedback an radar@recode.law!

Redaktion: Florian, Linus, Marco, Nils, Patrick und Victoria.

 


Keine Zukunft ohne Reform

Headline: Warum die Justiz die Ausbildung endlich ernst nehmen muss

Die diesjährige Frühjahrstagung der Justizministerkonferenz (JuMiKo) blieb im Vergleich zum Vorjahr weitgehend unbeachtet. Während im vergangenen Jahr die öffentliche Resonanz auf eine kontroverse Stellungnahme der Justizminister:innen zum Reformbedarf der juristischen Ausbildung erheblich war, blieb eine vergleichbare Aufmerksamkeit in diesem Jahr aus. Damals hatten die Ressortverantwortlichen konstatiert, es bestehe kein Handlungsbedarf hinsichtlich struktureller Veränderungen im Jurastudium – eine Aussage, die in weiten Teilen der juristischen Fachöffentlichkeit auf deutliche Kritik stieß. In der Folge äußerten sich zahlreiche Fachschaften, Studierende und weitere Betroffene und wiesen auf gravierende Mängel in der Ausbildungspraxis hin. 

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Inhalte der diesjährigen Frühjahrstagung ambivalent. Einerseits wurden wichtige Impulse zur Modernisierung der Justiz gegeben: Die Einführung einer einheitlichen digitalen Verfahrensakte sowie die Überarbeitung der Strafprozessordnung markieren zweifellos notwendige Schritte hin zu einer zukunftsfähigen Justizverwaltung. Andererseits bleibt die fundamentale Frage nach der Ausgestaltung und Qualität der juristischen Ausbildung weiterhin unbeantwortet. Trotz der öffentlichen Reaktionen auf die letztjährige Konferenz und des daraus resultierenden Reformdrucks verzichteten die Minister:innen abermals auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Ausbildungssituation – ein Zeichen konzeptioneller Stagnation.

Der seit Jahrzehnten vorherrschende Kurs, der Reformbedarf im juristischen Studium kategorisch verneint, wirkt angesichts der aktuellen Herausforderungen zunehmend aus der Zeit gefallen. Die Reaktionen auf die Positionierung der JuMiKo im Vorjahr zeigen unmissverständlich, dass die bestehenden Ausbildungsstrukturen von einer Vielzahl Betroffener als unzureichend empfunden werden. Insbesondere die Bundesfachschaft vertritt die Ansicht, dass die aktuelle Studienarchitektur den Anforderungen einer modernen Justiz nicht mehr gerecht wird. Eine umfassende Justizreform, die diese Bezeichnung verdient, kann nicht ohne substanzielle Verbesserungen in der Ausbildung realisiert werden. 

 Es erscheint widersprüchlich, über den Einsatz künstlicher Intelligenz in richterlichen Entscheidungsprozessen zu diskutieren, während gleichzeitig fundamentale Fragen der Personalgewinnung unbeachtet bleiben. Der akute Personalmangel innerhalb der Justiz führt bereits heute zu erheblichen Verfahrensverzögerungen. In vielen Fällen wird das grundrechtlich verbriefte Recht auf eine zügige gerichtliche Anhörung durch überlastete Gerichte faktisch unterlaufen. Ein funktionierender Rechtsstaat bedarf nicht nur technologischer Innovation, sondern in erster Linie einer personell und institutionell gut aufgestellten Justiz.

Die ohnehin hohe Komplexität des Jurastudiums wirkt dabei abschreckend auf potenzielle Studieninteressierte. Die inhaltliche Breite des Stoffes sowie die strengen Prüfungsanforderungen sind legitim, gleichwohl fehlt es häufig an struktureller Unterstützung in der universitären Ausbildung. Hinzu kommt die Unsicherheit, nach einem langjährigen Studium womöglich ohne Abschluss zu verbleiben. Der in einzelnen Bundesländern eingeführte Bachelor of Laws stellt in diesem Zusammenhang zwar einen ersten Schritt in Richtung einer diversifizierten Abschlussstruktur dar, genügt jedoch nicht, um den grundsätzlichen Problematiken des Systems zu begegnen.

 Bereits durch moderate Maßnahmen könnten signifikante Verbesserungen erzielt werden. Ein Beispiel stellt die in einigen Ländern praktizierte anonyme Zweitkorrektur juristischer Prüfungsleistungen dar, deren bundesweite Einführung die subjektive Wahrnehmung von Fairness im Prüfungsprozess erhöhen könnte. Es ist bedauerlich, dass die JuMiKo selbst derartige, niedrigschwellige Reformvorschläge bislang nicht aufgegriffen hat.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Reformbedarf in der juristischen Ausbildung evident ist und eine substanzielle Modernisierung des Systems ein integraler Bestandteil jeder ernstzunehmenden Justizreform sein muss. Ein zukunftsfähiger Rechtsstaat bedarf nicht nur digitaler Lösungen, sondern auch einer Ausbildung, die junge Juristinnen und Juristen in ihrer ganzen Breite befähigt – fachlich, ethisch und institutionell.


Wie neue strategische Partnerschaften den Legal Tech-Markt aufmischen

Make? Buy? Collaborate!

Zwei aktuelle Beispiele zeigen, wie strategische Partnerschaften die Legal Tech-Landschaft neu ordnen – und wie Legal Tech-Anbieter Netzwerkeffekte und Know-How Symbiosen für sich nutzen können.

👉 Perplexity x LegalZoom:

Für Abonnenten (Pro Subscription) des KI-basierten Web Search-Chatbots Perplexity kann zukünftig über das Perplexity Arbeitsumfeld unmittelbar auch auf das rechtliche Fachwissen von LegalZoom zugegriffen werden. LegalZoom ist ein erfolgreiches US-amerikanisches Online-Portal, das seinen Nutzern rechtliche Informationen bereitstellt und automatisierte Lösungen zur eigenständigen Erstellung von Rechtsdokumenten anbietet. Die strategische Partnerschaft setzt darauf, dass Perplexity traditionelle Suchmaschinen wie Google bald massenweise ablösen dürfte und Perplexity auch bei Rechtsfragen eine Anlaufstelle für schnelle Hilfeersuchen wird. Mit der Partnerschaft verschmilzt KI-basierte Web Search mit praxisnaher Rechtsanwendung: Direkte Hilfe bei rechtlichen Fragen für jedermann – niedrigschwellig, schnell und integriert in einen vertrauten Servicekontext. Womöglich ein Durchbruch für verbesserten Rechtszugang in den USA.

👉 Libra x Otto Schmidt Verlag:

Auch hier treffen Tech und juristische Substanz aufeinander: Libra, der deutsche KI-Workspace für Juristen, integriert künftig hochwertige Inhalte des Otto Schmidt Verlags direkt in seine Plattform. Das bedeutet: Kommentare, Fachzeitschriften und Handbücher können fließend über das KI-gestützte Arbeitsumfeld von Libra in die juristische Recherche einbezogen werden – ein großer Schritt in Richtung produktiver Legal Tech für den Berufsalltag. Viktor von Essen, CEO und Gründer von Libra: “Wir sind stolz darauf, […] unseren Nutzern den Zugang zu diesen herausragenden Ressourcen zu ermöglichen.”

Fazit: Ob für Verbraucher oder Volljuristen – Legal Tech wird wirkmächtiger, wenn Inhalte, Tools und Plattformen zusammenfinden. Weitere Entwicklungen und vergleichbare Kollaborationen sind zu erwarten.


Disney und Universal verklagen Midjourney

Die Nächste urheberrechtliche Klage gegen einen KI-Bildgenerator

In einer über 100-seitigen Klageschrift greifen die Studios Disney und Universal Midjourney aufgrund von Urheberrechtsverletzungen vor dem Bezirksgericht in Kalifornien an. Die Studios behaupten, Midjourney würde ihre urheberrechtlich geschützten Werke zur Generierung ihrer KI-Bilder verwenden. Sie führen an, dass nur sie ihre Werke kontrollieren und vermarkten dürften. Sie fordern neben Schadensersatz auch die Implementierung von Schutzmaßnahmen zur Sicherstellung ihres Urheberrechts.

Soweit eine wirkliche Nutzung der Werke nachgewiesen werden kann, wird nach US-amerikanischem Urheberrecht die entscheidende Frage sein, ob die Nutzung dem “Fair Use”-Grundsatz unterfällt. Diese Rechtsdoktrin im US-amerikanischen Urheberrecht erlaubt unter bestimmten Umständen, urheberrechtlich geschützte Werke ohne die Erlaubnis des Rechteinhabers zu nutzen. Sie dient dazu, ein Gleichgewicht zwischen den exklusiven Rechten der Urheber und dem öffentlichen Interesse an der Verbreitung von Wissen und der Förderung der Kreativität herzustellen. Dabei ist der Grundsatz nicht als starre Schranke zu verstehen, die einzelne Nutzungsmöglichkeiten eröffnet, sondern als flexibler Abwägungsgrundsatz im Rahmen des Einzelfalles. Dabei kommt es bei der Abwägung auf folgende vier Faktoren an:

  1. Zweck und Charakter der Nutzung, einschließlich der Frage, ob eine solche Nutzung kommerzieller Natur ist oder gemeinnützigen Bildungszwecken dient (Purpose and Character of the Use).
  2. Die Art des urheberrechtlich geschützten Werkes (Nature of the Copyrighted Work).
  3. Umfang und Bedeutung des verwendeten Auszugs im Verhältnis zum gesamten urheberrechtlich geschützten Werk (Amount and Substantiality of the Portion Used).
  4. Auswirkung der Nutzung auf den potenziellen Markt oder den Wert des urheberrechtlich geschützten Werks (Effect of the Use upon the Potential Market for or Value of the Copyrighted Work).

Im deutschen Urheberrecht würde bei einer solchen Klage für das KI-Training die Text- und Datamining-Schranke des § 44b UrhG für die entsprechenden Vervielfältigungshandlungen nach § 16 UrhG im Vordergrund stehen. Für den Output als Vervielfältigung, Verbreitungshandlung nach § 17 UrhG und öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG hingegen kann bei hinreichendem Abstand zum Originalwerk eine Bearbeitung im Rahmen des § 23 UrhG ins Spiel kommen. Andernfalls kann über § 51a UrhG als Schranke diskutiert werden. 

Mehr dazu hier. Zur originalen Klageschrift und zu einem ähnlichen Fall (New York Times v. OpenAI).


Lese-Tipp

KI-Training durch Meta

Meta möchte Nutzerdaten zum Training seiner KI-Modelle nutzen. Dieser Plan wurde nicht nur ausgiebig auf nahezu sämtlichen Social-Media-Plattformen diskutiert, sondern beschäftigte auch das OLG Köln. Unser Vereinsmitglied David hat sich mit der Eilentscheidung im Rahmen eines spannenden Gastbeitrags für die LTO beschäftigt.

Hier geht es zum Gastbeitrag.


Veranstaltungs-Tipp

Einladung zur AI&Law Conference 2025 – GenAI im Rechtsmarkt

Nach unseren erfolgreichen AI&Law Conferences 2022 und 2024 veranstaltet recode.law nun am 27. Juni 2025 von 10 – 16 Uhr die nächste virtuelle Conference: Die AI&Law Conference 2025, in deren Mittelpunkt Generative KI steht.

Freut Euch auf führende Speaker aus Recht, Ethik und Technologie, die spannende Einblicke in die neuesten Entwicklungen geben. Erfahrt, wie Generative KI die juristische Arbeit bereits heute verändert und welche Potenziale noch vor uns liegen.

Der Ablauf sieht folgendermaßen aus:

 

  • 10.00 – 10.15 Uhr – Begrüßung
  • 10.15 – 11.00 Uhr – Keynote: “Which poses the greater risk, AI or AI regulation? – Between Innovation and Regulation – Navigating the risks of AI in Europe” (Bianca Manelli, auf Englisch)
  • 11.00 – 12.00 Uhr – Panel: “Legal Entrepreneurship – Gründen statt Jurastudieren?” mit Henrik Volkmann und Paul F. Welter
  • 13.00 – 14.00 Uhr – Keynote: “Kanzleien – die digitalen Vorreiter beim Einsatz von KI in der Rechtsbranche?” – mit Johannes Jung und Oliver Belitz von Bird&Bird
  • 14.00 – 15.30 Uhr – Panel:  “Was passiert in 10 Jahren, wenn KI zuverlässiger und besser sein wird als der Mensch” mit Jean Enno Charton & Prof. Marie Herberger

 

Die Teilnahme für alle kostenfrei. Schaltet Euch direkt hinzu unter:

https://us06web.zoom.us/j/86741014208?pwd=FZmYNIUJmFaVixiGqr7aUIPea27HBb.1 

Meeting-ID: 867 4101 4208, Kenncode: 249067

Weitere Informationen findet Ihr auf unserer Webseite. Wir freuen uns auf Euch!


Veranstaltungs-Tipp

Legal Revolution im September

Die Legal Revolution hat sich als Europas größte Kongressmesse für Recht und Compliance etabliert – ein wichtiger Treffpunkt, um die digitale Transformation der Branche zu diskutieren und zu gestalten.

Der Termin für das kommende Jahr steht nun fest: Die Legal Revolution findet am 17. und 18. September 2025 in Würzburg statt.

Auch wir von recode.law sind selbstverständlich wieder mit einem Stand und einigen Mitgliedern dabei. Wir freuen uns schon jetzt auf ein Wiedersehen und viele inspirierende Gespräche über Legal Tech, Legal Innovation und alles, was dazugehört. Kommt vorbei und sprecht uns vor Ort gerne an!

Alle Informationen zum Programm, den Speakern und zur Ticketbuchung findet Ihr auf der offiziellen Webseite der Legal Revolution

Tipp: Mit dem Code “recode.law” erhaltet ihr in Zukunft mindestens  50 % Rabatt auf die Tickets!

 

Last Updated on 25. Juni 2025