Im Rahmen einer Interviewreihe wollen wir hinter die Kulissen unserer Sponsoringpartner:innen schauen. Wie sieht es bei Ihnen aus – wie digital ist die Arbeitswelt und Einstellung bei Ihnen intern? Wir haben uns getroffen, telefoniert und geschrieben, um diese Frage zu beantworten und zu besprechen.
Wir haben Rechtsanwalt Robert Schramm getroffen, Associate von YPOG in Berlin mit Expertise zum Thema Funds und Corporate. Das Interview wurde geführt durch Insa Ellerbroek.
recode.law: Wie setzt du bei deiner Arbeit Legal Tech Tools ein?
Schramm: Bei unserer Arbeit gibt es zwei große Bereiche, in denen wir Legal Tech einsetzen: Gegenüber dem Mandanten und bei der Arbeit in der Kanzlei. Die Anwaltsarbeit wird durch eine kluge Arbeitsorganisation unterstützt, die einem die vorliegenden Aufgaben gebündelt darstellt. In der Vertragsgestaltung kommt beispielsweise ein KI-Tool zum Einsatz, das in Word integriert ist und auf eine Datenbank vergleichbarer Klauseln zurückgreift. Es leitet aus Mustern vergangener Verträge ab, welche Klauseln folgen könnten.
recode.law: Legal Tech ist also für Euch keine Besonderheit, sondern ein normaler Teil des Systems. Wie digital man privat mit dem Handy umgeht, so passiert das nun auch in der Arbeit.
Schramm: Hier wird das als neue Normalität wahrgenommen und vorausgesetzt. Die Kanzlei ist jung, fühlt sich aber dennoch eingespielt an. Das baut Hemmschwellen ab und alle machen es so, deswegen machst du’s auch so. Bei jeder neuen Sache, die dazu kommt, kann man sich manchmal noch verschränken, aber das Legal Tech Fundament ist schon überdurchschnittlich hoch.
recode.law: Laut der “Future Ready Lawyer” Studie von Wolters Kluwer halten rund die Hälfte aller Kanzleien mangelndes technologisches Wissen, Verständnis und Fähigkeiten für den größten Widerstand gegenüber neuen Technologien. Kannst Du diese Beobachtung bestätigen? Wie wird das Problem bei Euch angegangen?
Schramm: Ich sehe das Problem auch. Anwälte sind nicht dafür bekannt, besonders flexibel zu sein, sie arbeiten sehr systematisch. Und so viel Mühe wie wir uns auch geben, an allen Stellschrauben drehen und Impulse setzen, auch wir haben mit klassischen Problemen zu kämpfen. Wir machen auch Denkfehler und nutzen die Software teilweise nicht, auch wenn sie nützlich wäre. Da ist die Frage: Wie viel Kapazität hast du in deinem Arbeitsalltag dafür? Gerade im Berufseinstieg hast du noch etwas mehr Luft, man macht vieles zum ersten Mal und lernt viel. Da kannst du Prozesse aufbrechen und neue Tools ausprobieren. Wenn du dich darin ein-, zweimal geübt hast, dann geht es dir leicht von der Hand. Dann hast du einen Vorteil, weil du anders arbeitest. Je länger du arbeitest, desto mehr verschwindet diese Kapazität und desto mehr suchst du erst nach Alternativen, wenn du frustriert bist. Manche lesen sich nach Feierabend rein, aber dafür müssen die Umstände gut sein. Wenn du zu müde bist, dann machst du das nicht mehr. Da spielt auch die Kanzlei rein: Je größer die Kanzlei wird, desto unterschiedlicher arbeiten Leute. Und viele, die schon lange erfolgreich arbeiten, haben kein Verlangen nach Veränderung.
recode.law: Habt Ihr da als jüngere Kanzlei Startvorteile in Bezug auf die Umsetzung von Legal Tech?
Schramm: Intern brauchst du Mitstreiter, da kommt uns zugute, dass wir eine junge Kanzlei sind. Es gibt hier wenige festgefahrene Prozesse nach dem Motto “Das machen wir immer so, das machen wir weiter so”. Gerade im Fonds-Bereich oder im Transaktions-Bereich: Die Mandanten sind sehr offen für Neuerungen.Ein Gegenbeispiel wären da zum Beispiel Finanzinvestoren, die wenig Lust haben, neue Wege zu gehen.
recode.law: Ihr profitiert also auch von der Flexibilität, die eure Mandanten mitbringen?
Schramm: Ohne die Mandanten funktioniert es nicht. Dennoch gibt es bei den innovativen Tools auch fuck ups. Wenn die Technologie nicht funktioniert, dann kann man sauer werden. Dabei darf man nicht aus den Augen verlieren, dass selbst wenn die Tools auch mal länger brauchen, also wenn man in einem Tool statt 5 Minuten 20 Minuten gebraucht wird, dann ersetzt es aber viel längere Handlungen wie der Gang zum Anwalt oder Notar. Wir sollten uns erlauben, Dinge immer wieder anders zu gestalten, auch wenn der Prozess nicht sofort perfekt funktioniert. Nach jedem Versuch ist man einen Schritt weiter im Verständnis und den Umgang, als andere, die es gar nicht erst versuchen wollen.
recode.law: Würdest Du sagen, Legal Tech findet bisher eher in den technologisierten oder innovativen Bereichen Anwendung? Oder ist es auch in den traditionellen Branchen schon verbreitet, wie etwa Steuerrecht?
Schramm: Man stößt schon auf Grenzen, wenn man beispielsweise mit dem Finanzamt arbeitet. Auch wenn sie digitale Lösungen anbieten, kann es dann schwer sein, mit einem Online-Tool und Teams zu arbeiten. Meine Kollegen sind aber offen, die Dinge auch anders anzugehen. Die Materie und dein Counterpart beeinflussen es massiv. Wenn du einen Venture Fonds hast, sind die affiner für Innovation. Sie reden ständig mit Personen, die innovativ arbeiten, und erwarten es dann auch bei der Anwaltskanzlei.
recode.law: Wie sehr ist dem Mandanten die Beteiligung von Technologie bewusst?
Schramm: Das kommt auf den Mandanten an. Größere Konzerne finden es deshalb spannend, weil sie schauen, was für den eigenen Kunden von uns gelernt oder gar übertragen werden kann. Viele Unternehmen in Deutschland hängen in der Außenwahrnehmung weit hinterher. Manche Mandanten fragen, ob man das interne Tool auch für den Mandanten selbst aufsetzen kann. Das Onboarding Tool kann der Mandant selbst gestalten und darüber kommunizieren. Einer Minderheit ist das nicht wichtig, denen kommt es auf die Resultate an. Aber die Anzahl der Mandanten, die das interessiert, ist höher.
recode.law: Ihr nutzt Legal Tech also auch bei der Kommunikation mit dem Mandanten?
Schramm: Auch das! Maßgeblich ist: Pfleg deine internen Prozesse möglichst digital und nutze jedes Legal Tech Tool, was dir YPOG anbietet. Wir haben alles, was ich auf dem Markt kenne und wenn das nicht der Fall sein sollte, dann kann man nachfragen. Neben dem digitalen Auftritt nach außen geht es auch darum, Tools zu nutzen, die dem Mandanten einen Mehrwert geben. Das führt dazu, dass die Client Experience gut ist – es ist auch kostengünstiger, es ist ein Abgrenzungskriterium.
Hier ein Beispiel: Nach außen stellt die Kanzlei dar, wie der aktuelle Stand ist und wer gerade wie handeln muss, um das Projekt voranzutreiben. In einer Webapplication können die typischen 20 To-Dos, die sich aus der Projektarbeit ergeben, in einem Kanban-Board alle To-Dos dargestellt werden und auch, bei wem gerade was liegt. Es ist ganz üblich, dass man alle 2 Wochen Statuscalls hat, bei denen auf das Board zurückgegriffen wird. Mit dem Board geht es gerade nicht um Micromanagement, sondern um die Frage, ob es richtig ist, die Aufgabe jetzt gerade dem Mandanten zuzuschreiben, oder sie selbst zu übernehmen.
Es ersetzt eine aufwändig erstellte Excel-Tabelle, den “Step-Plan”, in dem aufwändig genau und händisch dokumentiert wurde, wo das Projekt steht und wann was passieren soll. Das Excel-Dokument ist nicht flexibel und Verknüpfungen in dem Dokument können sich durch Neueintragungen zerschießen. Bei dem lebenden digitalen Tool ist der Stand stets einsehbar und alle schauen in das gleiche Dokument.
recode.law: Bei Euch gibt es eine konkrete Zuständigkeit für den Bereich Legal Tech, Hariolf Wenzler leitet ihn. Fühlst Du dich als Anwalt für das Thema auch zuständig?
Schramm: Ich sehe die Chancen, wie Legal Tech meinen Arbeitsalltag leichter macht. Ich bin aber kein großer Treiber des Legal Tech Bereichs, auch wenn ich mit den Teammitgliedern, auch mit denen im YSolutions Team, in gutem Kontakt stehe. Als junger Anwalt ist es für mich wichtig, mich auf meinem Terrain zurechtzufinden. Klar kann man sich ab Tag eins nur diesem Thema widmen, aber dann fällt viel von der fachlichen Ausbildung hinten runter. Das Tagesgeschäft von YPOG ist das einer Anwaltskanzlei – aber wir haben eben eine große Legal-Tech-Affinität und machen da, glaube ich, viel mehr als andere es tun.
recode.law: Legal Tech kann auch in die Ausbildung einbezogen werden, beispielsweise im Schwerpunktstudium oder einem L.L.M. Braucht man die Kenntnisse mittlerweile für den Beruf oder ist es eher Learning by Doing?
Schramm: Es hilft immer, wenn die Anwendung auf den Anwender zugeht. Die Mehrheit der Berufsanfänger hat Berührungsängste und geht nicht den Schritt, sich das selbst beizubringen. Aber wenn man das nicht tut, dann bleibt man in einem altmodischen System, das nicht mehr lange bestehen bleibt. Unsere Lösungen in der Kanzlei bieten einfach einen besseren Zugriff oder Koordination. Das ist aber erst der Anfang. Ich glaube, dass der Beruf sich schneller als gedacht verändern wird. Und je früher du dich damit auseinandersetzt, desto besser. Hätte ich vor 10 Jahren Lust gehabt auf Informatik, hätte ich es auf jeden Fall studieren können. Selbst mir, der wahrscheinlich der klassische Jurastudent war, ist jetzt schon klar, dass du dich dem nicht einfach verschließen und es abtun kannst.
YPOG
Standorte: 3 (Berlin, Hamburg, Köln)
Mitarbeiter:innen: 250, davon 100 Berufsträger:innen
Praxisgruppen: Tax, Funds, Transactions, Corporate, Litigation, Notary Services, IP/IT, Banking + Financial, Services Fintech + DLT
Last Updated on 7. Mai 2023