Mathias Schuh und Julia Dieball

Automatische Juristerei

Vertragserstellung automatisieren, Sammelklagen erfassen, den möglichen Erfolg vor Gericht genauer prognostizieren – das Potenzial von „Legal Tech“ für unser Rechtssystem ist riesig. Aber nur wenige können sich unter diesem Begriff überhaupt etwas Handfestes vorstellen, und selbst unter Juristen ist oft kaum Wissen vorhanden. Laut Wikipedia bezeichnet Legal Tech Software und Online-Dienste, die juristische Arbeitsprozesse unterstützen oder gänzlich automatisiert durchführen.

Die münsterische Studenteninitiative „Recode.Law“ möchte als Anlaufstelle und Diskussionsforum darüber aufklären und ein Netzwerk schaffen, von dem sowohl Jurastudenten und Anwälte als auch Interessierte aus allen anderen Branchen profitieren können. Mit aktuell 30 Mitgliedern veranstaltet der im April 2018 gegründete Verein regelmäßig Workshops und betreibt neuerdings auch einen eigenen Podcast.

Vorteile für jedermann

„Bei uns ist jeder willkommen, der Interesse für das Thema hat und sich einbringen möchte. Das Alter ist dabei grundsätzlich völlig egal, so dass neben den überwiegenden Studenten auch Anwälte und andere Berufstätige bei uns mitarbeiten“, sagt Julia Dieball, eine der sechs Gründer von Recode.Law. „Wir möchten begeistern und befähigen, um auf einen optimalen Einsatz von Technik in rechtlichen Abläufe vorzubereiten.“

Neben den Vorteilen der Anwendung von Legal Tech für Juristen sind auch die positiven Auswirkungen für jeden einzelnen Bürger nicht außer Acht zu lassen, wie Mathias Schuh, ebenfalls Mitgründer, betont: „Recht sollte nicht an den Kosten scheitern. Mithilfe von automatisierten Abläufen könnte sich der Betroffene in vielen Fällen den teuren Besuch beim Anwalt sparen. Beispielsweise bei den typischen Bahn- oder Flugverspätungsfällen käme man so wesentlich schneller zu einer rechtmäßigen Lösung, und die Entschädigung könnte ohne nervige Zwischenschritte ausgezahlt werden.“

Erleichterung der Arbeit

Angst um ihren Job müssen Anwälte laut den Gründern trotzdem nicht haben: „Ab einem gewissen Grad von Komplexität werden menschliche Empathie und kognitives Handeln erforderlich. Es geht bei Legal Tech viel mehr um zu optimierbare Arbeitsabläufe und nicht darum, den Beruf eines Anwalts zu ersetzen“, erklärt Dieball. „Dazu zählen dann das Auswerten von Datensätzen und die Herstellung von rechtlichen Zusammenhängen. Man kann also eher von einer Erleichterung als von einem Ersatz der Tätigkeit sprechen.“

Die Mitglieder von Recode.Law erhoffen sich für die Zukunft, das Thema Legal Tech weiter ins Bewusstsein der Menschen zu bringen und die Angst vor dem Ungewissen nehmen zu können.

„Legal Tech ist kein Hexenwerk“, stellt Mathias Schuh klar. „Ich sehe da auch ein enormes Potenzial für Verwaltungsabläufe, die sich bisher immer sehr langwierig gestalten. Die technischen Möglichkeiten wären auch jetzt schon vorhanden, aber wir stecken hier in Deutschland in Sachen Digitalisierung noch in den Kinderschuhen.“

Last Updated on 16. February 2021