„Legal Tech verändert den Rechtsmarkt und hat großen Einfluss auf die zukünftige Arbeit von Juristen.“
Diesen oder ähnliche Sätze um das neue Buzz-Word „Legal Tech“ hört man in der juristischen Welt zunehmend. Keine große Veranstaltung lässt das Thema mehr aus, Universitäten bieten vermehrt Vorlesungen und Seminarreihen zu diesem Bereich an, die Anzahl der veröffentlichten Lektüre steigt innerhalb kürzester Zeit rapide an und auch unser größtes Anliegen von recode.law ist es, Euch Legal Tech näher zu bringen. Aber wie lässt sich der Begriff überhaupt in die Juristenwelt einordnen? Was hat das mit dem Zugang zum Recht zu tun? Und wie sieht die zukünftige Entwicklung von Legal Tech aus? Mit diesen zentralen Fragen sehen wir uns bei recode.law zunehmend konfrontiert. Grund genug, mehr Licht ins Dunkle zu bringen und eine kurze Einschätzung vorzunehmen. 1. Begriffserklärung und Reichweite Bei der Frage nach einer allgemeingültigen Definition von Legal Tech stellt sich jedoch die erste Hürde: eine einheitliche Definition existiert nicht. Bislang sind verschiedene Kategorisierungsmöglichkeiten entstanden: z.B. nach dem Entwicklungsstand der Anwendung, dem Adressaten oder der Art der Technologie.[1] In diesem Zusammenhang wird gerne auf die durch den Wissenschaftler Oliver Goodenough[2] vorgenommene Unterteilung in Legal Tech 1.0, 2.0 und 3.0 verwiesen. Nach dieser Kategorisierung fallen neben künstlicher Intelligenz in Form von Robot Lawyers oder smart contracts (Legal Tech 3.0) über automatisierte Rechtsdienstleistungen durch Online-Entschädigungsportale und Vertragsgeneratoren (Legal Tech 2.0) auch juristische Datenbanken, wie Beck oder Juris (Legal Tech 1.0) unter den Begriff. Viel wichtiger als der Versuch, eine möglichst genaue Definition von Legal Tech zu kreieren, ist aber die Erkenntnis, dass Legal Tech keinesfalls auf den Anwaltsberuf allein begrenzt ist. Zwar stellen sich gerade im Zusammenhang mit der Anwaltschaft viele Fragen zum anwaltlichen Berufsrecht und dem Rechtsdienstleistungsrecht, jedoch erschöpfen sie sich keineswegs darin. Es gilt daher zunächst festzuhalten, dass Legal Tech über den Anwaltsberuf hinaus auch Auswirkungen z.B. auf die Justiz, die Verwaltung, die Staatsanwaltschaft und auch auf die Juristenausbildung hat. Legal Tech beeinflusst damit zunehmend die Arbeit eines jeden (angehenden) Juristen. Diese Entwicklung aktiv mitzugestalten, ist zentrale Aufgabe von recode.law. 2. Zugang zum Recht und rationales Desinteresse Legal Tech wird die Fähigkeit zugesprochen, den Zugang zum Recht zu verbessern.[3] Das kommt in erster Linie Verbrauchern zugute, die sich andernfalls eine Rechtsdienstleistung oder anwaltliche Beratung nicht hätten leisten können. Dies wurde bereits durch eine Forsa-Studie[4] im Jahr 2013 belegt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 71% der bestehenden Ansprüche durch Verbraucher nicht weiter durchgesetzt werden, weil ihnen das Kostenrisiko zu groß ist. Die fehlende Anspruchsdurchsetzung des Verbrauchers aufgrund eines überhöhten Kostenrisikos wird als „rationales Desinteresse“ bezeichnet.[5] Möglicherweise kann Legal Tech durch eine erhöhte Leistungsfähigkeit und eine derzeit herrschende Gründerwelle genau den Bedarf der Rechtssuchenden decken.[6] Denn insbesondere Legal Tech-Unternehmen arbeiten mit Mitteln der Prozessfinanzierung und Erfolgshonoraren, sodass dem Verbraucher bei erfolgloser Anspruchsdurchsetzung keine Kosten entstehen. Die zunehmende Inanspruchnahme solcher Angebote durch den Verbraucher ist mithin Ausdruck eines sich stetig weiterentwickelnden Rechtsmarkts. 3. Und wo geht die „Legal Tech-Reise“ zukünftig hin? Die zunehmende Entwicklung von Legal Tech resultiert aus der Digitalisierung. Diese ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Jeder, der sich einmal vor Augen führt, wie die Digitalisierung alle Bereiche unseres Lebens beeinflusst, bekommt einen Eindruck davon, wie sehr wir diese Entwicklung schon angenommen haben. Gerade in Pandemie-Zeiten wären wir ohne digitale Angebote und Inhalte wohl ziemlich verloren. So wenig wie die Digitalisierung aus unserem Leben einfach herauszustreichen ist, so wenig ist Legal Tech mehr aus der Juristenwelt wegzudenken. Eine genaue Prognose darüber zu treffen, wie sich Legal Tech im Detail auf die einzelnen Rechtsbranchen auswirken wird, ist aber sehr schwierig. Ob eines Tages Legal Tech so weit gehen und der Computer tatsächlich den Menschen vollständig ersetzen kann, bleibt zweifelhaft. Denn auch bei all ihrem großen Potenzial kennt die Digitalisierung im Rechtswesen derzeit noch Grenzen. Der technische Fortschritt ist dennoch nicht zu unterschätzen und kann sich für die zukünftige Arbeit von Juristen als großer Gewinn entpuppen. Denn eines ist klar geworden: Legal Tech ist keinesfalls ein vorüberziehender Hype ohne Langzeitfolgen. Und Angst sollte man davor erst recht nicht haben! Literaturnachweise: Friehoff, Lukas: Legal Tech – Begriffserklärung, Entwicklung und Auswirkungen auf die Zukunft des Rechts, 2018, abrufbar unter: https://recode.law/legal-tech-begriffserklaerung-entwicklung-und-auswirkungen-auf-die-zukunft-des-rechts (zuletzt abgerufen am 26. April 2021). Fries, Martin: Verbraucherrechtsdurchsetzung (Jus Privatum. Beiträge zum Privatrecht, Band 206), Tübingen 2016. Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GdV): Studie „Ängste und Erwartungen von Verbrauchern bei rechtlichen Auseinandersetzungen“, 2013, abrufbar unter: https://www.gdv.de/resource/blob/30990/916cec00467920d4121f3f234e109ba5/studie-forsa-studie-kosten-eines-rechtsstreits-data.pdf (zuletzt abgerufen am 14. Mai 2021). Goodenough, Oliver: Legal Technology 3.0, in: HuffPost vom 02.04.2015, abrufbar unter: https://www.huffpost.com/entry/legal-technology-30_b_6603658 (zuletzt abgerufen am 15. Mai 2021). Hartung, Markus: Inkasso, Prozessfinanzierung und das RDG. Was darf ein Legal-Tech-Unternehmen als Inkassodienstleister, in: AnwBl Online 2019, 353-361. ders.: Gedanken zu Legal Tech und Digitalisierung, in: in: Markus Hartung/ Micha-Manuel Bues/ Gernot Halbleib (Hrsg.), Legal Tech – Die Digitalisierung des Rechtsmarkts, München 2018, 5-18. [1] So dargestellt im Beitrag „Legal Tech – Begriffserklärung, Entwicklung und Auswirkungen auf die Zukunft des Rechts“ von L. Friehoff in unserem Magazin vom 18. Dezember 2018, abrufbar unter: https://recode.law/legal-tech-begriffserklaerung-entwicklung-und-auswirkungen-auf-die-zukunft-des-rechts (zuletzt abgerufen am 26. April 2021). [2] Goodenough, HuffPost v. 02.04.2015, abrufbar unter: https://www.huffpost.com/entry/legal-technology-30_b_6603658 (zuletzt abgerufen am 15. Mai 2021). [3] Hierzu Hartung, AnwBl Online 2019, 353 (353 f.). [4] GdV, Studie, abrufbar unter: https://www.gdv.de/resource/blob/30990/916cec00467920d4121f3f234e109ba5/studie-forsa-studie-kosten-eines-rechtsstreits-data.pdf (zuletzt abgerufen am 14. Mai 2021). [5] Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, S. 57. [6] Hartung/ Bues/ Halbleib (Hrsg.), Rn. 34.recode.law e.V.
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