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Legal Tech in der Kanzlei: Von der Entwicklung bis zur Anwendung

Im Rahmen einer Interviewreihe wollen wir hinter die Kulissen unserer Sponsoringpartner:innen schauen. Wie sieht es bei Ihnen aus – wie digital ist die Arbeitswelt und Einstellung bei Ihnen intern? Wir haben uns getroffen, telefoniert und geschrieben, um diese Frage zu beantworten und zu besprechen.

Im Gespräch mit PwC Legal erfahren wir, wie unsere Partnerkanzlei sowohl Legal Tech, als auch neue Techniken einsetzt. Ein paar Worte zu Karriere und Charakter von PwC Legal sind auch mit dabei!

Wir haben Rechtsanwältin Katharina Prüfert getroffen. Sie ist in den Bereichen Digitalisierung, Technologie und Legal Operations bei PwC Legal in Düsseldorf tätig.

[Autor: Friedrich Hautkapp]

recode.law: Hallo Katharina, wie setzt Ihr bei PwC Legal bei Eurer Arbeit Legal Tech Tools ein?

Katharina Prüfert, PwC Legal: Bei der Erbringung unserer Rechtsdienstleistungen verknüpfen wir Rechtsberatung mit Methoden und Werkzeugen aus anderen Disziplinen wie Data & Analytics, Künstliche Intelligenz (KI) und Operations. Dies hilft Mandanten den Spagat zwischen steigender Komplexität und gleichzeitigem Kostendruck zu meistern.

Die Möglichkeiten dieser “tech-enabled” Services sind vor allem im Bereich repetitiver und standardisierbarer Aufgaben sehr vielfältig. Hier liefert Legal Tech aufgrund von Automatisierung, industrialisierten Prozessen und exzellentem Management bessere Qualität als herkömmliche Lösungen im selben Zeitintervall. Vor kurzem ist PwC eine strategische Allianz mit dem ChatGPT Ableger “Harvey” eingegangen, unsere Rechtsanwält:innen werden die Technologie nutzen, um ihre juristische Arbeit zu optimieren und effizienter zu gestalten.

 

recode.law: Du sagst, dass Ihr Werkzeuge aus Data & Analytics und KI verwendet und dass Ihr diese Technologien je nach Bedarf bei der Arbeit mit Mandant:innen einsetzt. Kannst Du uns für beide Technologien konkrete Beispiele nennen?

Prüfert: Sehr relevant sind solche Technologien für Human Resources Analytics. Wir beraten viel im Restrukturierungs- und M&A-Bereich. Hier benötigen unsere Mandanten häufig Hochrechnungen und Skalierungen, um  ihre Personalstruktur verbessern zu können. Das ist ein Bereich, der sehr greifbar ist. Durch den Einsatz von generativer KI sind aber durchaus auch weitere Anwendungsfälle denkbar, wie Vertragsanalyse, Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, Forderungsmanagement und Due Diligence.

Ein weiteres Feld, in dem Datenanalysen sehr interessant sind, sind Wertpapiergeschäfte. Dort wird die Rechtsberatung durch Analysen begleitet, um zu schauen, welchen Erfolg der Mandant erwarten kann.

recode.law: Im Dezember letzten Jahres wurde in unserem Newsletter, dem New Law Radar, über die Haftung für das Handeln einer Künstlichen Intelligenz (KI) berichtet. Setzt Ihr die KI nur intern oder auch extern ein und welche Haftungsmaßstäbe gelten dafür?

Prüfert: Hier stellt sich zunächst die Frage, was KI überhaupt ist. Im Endeffekt handelt es sich dabei um eine Wahrscheinlichkeitsrechnung. Aus meiner Sicht handelt es sich dabei bereits um KI, wenn wir Tools zur Vorbereitung von Schriftsätzen oder zur Aufbereitung von Mandantendaten Auslesesoftware benutzen.

Die Ergebnisse dieser Vorgänge geben wir nicht weiter an die Mandant:innen. Wir haben durchgängig ein Vier-Augen-Prinzip, von dem uns auch keine KI entbindet.  Aktuell setzen wir KI-basierte Lösungen vor allem bei vorbereitenden Maßnahmen einer Rechtsberatungsleistung ein. Sollte es auch zu einem Einsatz im Rahmen der Rechtsberatung kommen, ist dies natürlich versichert.

recode.law: Wie kommt Ihr bei PwC Legal zu diesen neuen technologischen Lösungen? Habt Ihr ein:e Innovationsmanager:in? Oder ist jede:r Mitarbeiter:in selber dafür verantwortlich?

Prüfert: Wir haben ein Programm für “digitales Upskilling”, wodurch jede:r Mitarbeiter:in das Bewusstsein für technische Möglichkeiten bekommen soll. Die konkreten Projekte werden dann gemeinsam mit vielen anderen klugen Köpfen aus dem IT und Data Analytics Bereich umgesetzt. Wir Jurist:innen übernehmen dabei dann natürlich den rechtlichen und inhaltlichen Part, wobei die ITler und Data Analyst:innen die technische Lösung umsetzen.

recode.law: Du als Juristin hast also eine Idee und gibst diese dann an die IT Abteilung weiter?

Prüfert: Ja. Ich fungiere dabei als Mittlerin, die in einem Projekt die Anforderungen, die mir von den Anwält:innen geschildert werden, extrahiere und an unsere Digital Factory weiterleite. Diese ist  quasi unser Think Tank.

Die Digital Factory macht sich darüber Gedanken, wie das Ganze im Projekt umgesetzt und dann wieder mit den Rechtsanwälten getestet wird, bis irgendwann ein Tool oder ein Produkt daraus entstanden ist.

Ganz aktuell gibt es beispielsweise ein Tool zur Verarbeitung von Massenverfahren. Dies ist aus einem Team hervorgegangen, welches Massenverfahren mit bestimmten Arbeitsschritten schneller bearbeiten wollte. Wir haben dann geschaut, welche Ansätze wir bei PwC Legal schon vorrätig haben und wie wir diese zusammenstellen können, um schließlich eine Lösung zu finden, mit der wir am Markt schnell Massenverfahren bearbeiten können.

Ein weiteres Beispiel sind Chatbots. Mandant:innen stellen uns immer wieder die gleichen Fragen, was uns zu der Überlegung gebracht hat, wie wir die Beantwortung von immer wiederkehrenden Fragen vereinfachen können. Wir haben zwar ein FAQ, welches aber zu selten von  Mandant:innen wahrgenommen wird. Was können wir dann machen? Wir könnten einen Chatbot bauen und diesem die Fragen beibringen, so dass der Chatbot schließlich mit den Mandant:innen kommunizieren und die  entsprechenden Fragen beantworten kann.

recode.law: Laut “Future Ready Lawyer” Studie von Wolters Kluwer halten rund die Hälfte aller Kanzleien mangelndes technologisches Wissen, Verständnis und Fähigkeiten für den größten Widerstand gegenüber neuen Technologien. Kannst Du diese Beobachtung bestätigen? Wie wird das Problem bei PwC Legal angegangen?

Prüfert: Diese Beobachtungen kann ich nicht bestätigen. Mit unserem Digital Upskilling-Programm “Your Tomorrow” bieten wir unseren Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, ihre digitalen Kompetenzen auszubauen. Ziel des Your Tomorrow-Programms ist es, alle Mitarbeiter:innen mit neuen Fähigkeiten, Kenntnissen und Ressourcen auszustatten, um fit für die digitale Zukunft und den technologischen Wandel zu sein. Durch Online-Trainings erhalten unsere Mitarbeiter:innen so die Möglichkeit, ihr Skillset zu erweitern. Unsere Mitarbeiter:innen haben Zugang zu einer Vielzahl technischer Lösungen und lernen diese praxisbezogen anzuwenden.

recode.law: Auf welche Skills und Programme fokussiert Ihr Euch bei der Weiterbildung der Anwält:innen? Gibt es vielleicht sogar schon einen Basis-Lernplan, den jeder einmal durchlaufen muss, um ein Technikbewusstsein zu bekommen?

Prüfert: Ja und nein. Abhängig von der Karrierestufe gibt es ein Curriculum, den Learner Pathway, in dem die Kolleg:innen bestimmte Arbeitsschritte und bestimmte Kurse absolvieren müssen.

Das Curriculum soll die Grundlagen der Data Analytics vermitteln. Wenn die Kolleg:innen dann an einer Tätigkeit Spaß haben, können sie das Wissen in dem jeweiligen Bereich auch noch vertiefen und dann Digital Accelerator werden, je nach Fähigkeiten und Interesse.

Das Programm setzt sich zusammen aus Livetrainings und Trainings, die jeder selbst am Computer macht und ist immer wieder anders zusammengestellt, um eben auch darauf einzugehen, wie die Person in ihrem wirklichen Job arbeitet und sie dann auch upzuskillen.

recode.law: Was verbindest Du mit dem Bereich „Legal Tech“? Und würdest Du Student:innen empfehlen, bestimmte Programme zu erlernen?

Prüfert: Mit Legal Tech verbinden viele – angehende – Jurist:innen eher futuristische, sie nicht unmittelbar betreffende Anwendungsbereiche wie z. B. den Robo-Judge. Leider verkennen viele – auch Praktiker:innen und Lehrende -, dass zu den Wirkungsbereichen von Legal Tech auch unterstützende oder teilautomatisierte Anwendungen gehören, z. B. schlichte Dokumentenverwaltungs- bzw. verarbeitungsprogramme etc.

Hinter dem Buzzword Legal Tech steckt daher mehr als nur ein Hype-Thema. Es betrifft die juristische Arbeit insgesamt und vermittelt interdisziplinäres, modernes und technologiebasiertes Know-how, das neben dem klassischen juristischen Handwerkszeug zur Grundausstattung von Jurist:innen gehören sollte.

Da wir aktuell einen sehr großen Wandel in diesem Bereich haben, denke ich insgesamt jedoch nicht, dass man wirklich alles können muss. Wir haben immer unterschiedliche Hype-Themen und Hype-Tools. Man lernt das eigentlich nur, wenn man es auch praktisch anwendet. Das ist, als würdest du nur die Anleitung für Siedler von Catan lesen, ohne es gespielt zu haben. Da hast du mehr davon, ohne Anleitung zu spielen. Offen für Technologien sind die Student:innen von allein.

Die jungen Leute haben auch eine ganz andere Sensibilität für das ganze Drumherum, sei es z.B. Datenschutz oder IT Security. Und ich glaube nicht, dass es irgendetwas bringen wird, darüber hinaus an den Hypes teilzunehmen. Mein Tipp ist: Studiert lieber erstmal Jura, und überlegt euch, wie ihr später arbeiten wollt.

recode.law: Die aktuellen Karriereratschläge im Bereich Legal Tech sind sehr unterschiedlich. Von der Pflicht zum Programmieren bis „nur Jura“ machen ist alles dabei.

 Prüfert: Mach das, was dir Spaß macht oder wo du das Gefühl hast, du kannst es. Denn egal was es ist, es bringt nichts, wenn du auf Teufel komm raus irgendwas lernst. Wenn du kein Arbeitsrecht magst, dann mach eben was anderes. Und genauso ist das eben auch bei Legal Tech.

Es gibt viele Rechtsanwält:innen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, die das überhaupt nicht können und wahnsinnig glücklich und erfolgreich sind. Ich denke, dass es einfach wichtig ist, zu gucken, was man in der konkreten Situation gebrauchen kann. Dann findet sich da schon die passende Lösung.

recode.law: Was unterscheidet PwC Legal von einer mittelständischen Kanzlei oder einer Großkanzlei?

Prüfert: Ein großer Vorteil gegenüber Kanzleien ist, dass wir unsere Digital Factory und vor allem aufgrund unserer Größe auch die Manpower haben, technische Lösungen selbst zu entwickeln. Das ist natürlich etwas sehr Wertvolles, auf das man zurückgreifen kann. Auch aufgrund der unterschiedlichen Entscheidungsstrukturen können diese Prozesse im Gegensatz zu einer Großkanzlei effizienter und nachhaltiger gefördert werden. Neben der klassischen Rechtsberatung setzen wir nämlich vor allem auf interdisziplinäre Zusammenarbeit. Wir sind fest verankert in unserem weltweiten PwC-Netzwerk und arbeiten mit mehr als 270.000 Kolleg:innen aus den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Unternehmensberatung zusammen.

 

PwC Legal

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Last Updated on 30. Mai 2023

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