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Wo befindet sich die Debatte über die Verleihung von Rechtspersönlichkeit an künstliche Intelligenz?

Der technische Fortschritt schreitet voran. Künstliche Intelligenz spielt Schach, Go und Jeopardy besser als Menschen. Wir bekommen das „Internet of Things“. Die Rechenleistung und Leistungsfähigkeit von Computern steigt und steigt. KI trifft zunehmend selbständig Entscheidungen, die unseren Alltag beeinflussen.

KI ist aber nicht nur besser als wir in Brettspielen und Quizshows, sondern hilft uns auch in der Praxis. Staubsaugroboter, digitale Sprachassistenten oder riesige Datenanalyse-Tools unterstützen uns in unserem Alltag. Aufgrund der zunehmenden Einsatzmöglichkeiten von KI, ihren selbstständigen Entscheidungsprozessen und der fortschreitenden technischen Entwicklung, stellen sich aus rechtlicher Sicht noch viele Fragen? Wer haftet zum Beispiel, wenn dein digitaler Assistent „aus Versehen“ die Dusche anschaltet und einen Wasserschaden bei deinem Nachbarn verursacht? Kann KI selbständig innerhalb von Sekunden Aktien erwerben und wieder veräußern? Kann KI dazu gezwungen werden, sich an Gesetze zu halten? Um für diese Fragen eine Lösung zu finden, müssen wir uns die Frage stellen: Wie ordnen wir sämtliche Formen künstlicher Intelligenz rechtlich ein?

Infolge dieser relevanten Probleme gewinnt die Diskussion über die rechtliche Qualität von KI immer mehr an Bedeutung. Dabei lassen sich grundsätzlich zwei Ansätze erkennen: Einige wollen künstlich intelligente Systeme in vollem Maße rechtlich verselbständigen, andere erkennen überhaupt keinen Handlungsbedarf.

Die Problematik ist auch in der Politik angekommen. Sie wurde in einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16.2.2017 aufgegriffen. Dort wird zumindest für die „höchstentwickelten künstlichen Intelligenzen“ die Schaffung einer eigenständigen Rechtspersönlichkeit angedacht. Daran anknüpfend soll dieser Artikel darstellen, wo sich die Debatte über die rechtliche Stellung von KI momentan in der Wissenschaft befindet und was mögliche Lösungsansätze für einen interessengerechten und angemessenen Umgang mit KI sein können.

Was sagen die Befürworter?

Was sagen nun diejenigen, die sich für eine Rechtsfähigkeit von KI einsetzen? Für diese Form von Rechtspersönlichkeit hat sich – vor allem von ihren Befürwortern – der Begriff der „ePerson“ eingebürgert. Grundkonzept ist, dass die künstliche Intelligenz durch die „ePerson“ wie eine natürliche Person am Rechtsverkehr teilnehmen soll. Damit könnte die einen Schaden verursachende KI direkt auf Schadensersatzzahlung in Anspruch genommen werden.

Die Vertreter einer solchen Forderung berufen sich zunächst darauf, dass Rechtspersönlichkeit nicht zwangsläufig mit der Eigenschaft als natürliche Person verbunden sei. Gerade eine Kapitalgesellschaft in Form einer AG oder GmbH sei rechtlich von den hinter ihr stehenden Personen komplett verselbständigt. Die Zurechnung von Entscheidungen einer KI sei ein juristischer Kunstgriff, habe aber mit dem aktuellen Stand der Technik nichts zu tun. Denn eine KI fände ihre Ergebnisse eben nicht mehr nur auf Basis der ihr durch den Menschen vorgegebenen Kriterien, sondern entwickle solche Kriterien selbst. Manche gehen sogar weiter und verkünden, künstliche Intelligenzen hätten in ihren Fähigkeiten den Menschen ein- oder sogar überholt und es sei demzufolge nur konsequent , ihnen Rechtspersönlichkeit zuzusprechen.

Freilich stützen die Vertreter dieser Ansicht die Forderung nach einer „ePerson“ nicht nur auf rechtsphilosophische Erwägungen wie menschliche Willensfreiheit oder das Persönlichkeitsrecht, sondern auch auf praktische Erwägungen:  Ausgangspunkt sei, dass eine KI keinem durch einen Menschen festgelegten Ablauf mehr folge. Der Betreiber oder Urheber habe somit keinen Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Systems. Dadurch entstünde eine Verantwortungslücke, die nach den geltenden rechtlichen Regeln nicht mehr zu bewältigen sei. Der Inhaber des künstlichen Systems wäre durch Einführung der „ePerson“ von der Haftung für ein Verhalten befreit, über das er selbst nicht entschieden hätte. Dabei sei zu beachten, dass der Rechtsverkehr zunehmend durch KI abgewickelt werde. So würden in Zukunft sicherlich auch selbständig Verträge durch KI geschlossen und ausgeführt (so im Falle von smart contracts). Im Ergebnis wäre die Konsequenz ein haftungsfreier Raum – den die selbständige „ePerson“ schließen würde. Die notwendige Haftungsmasse ließe sich zum Beispiel durch Einrichtungen von Pflichtversicherungen beschaffen.

Der Teufel liegt aber im Detail. Denn eine uneingeschränkte Rechtssubjektivität hieße am Ende auch, dass sich KI womöglich sogar auf Grundrechte berufen, dass sie Eigentum erwerben oder Kredite aufnehmen könnten. Solche Konsequenzen wollen viele dann doch nicht ziehen.  Dabei ist den meisten Autoren gemein, dass sie zwischen den verschiedenen Formen der künstlichen Intelligenzen und den durch sie entstehenden Risiken unterscheiden wollen (Smart contracts seien demnach anders zu behandeln als ein Roboter, der Autos zusammensetzt). Sie stehen einer einheitlichen Lösung also ablehnend gegenüber.  Beispielsweise will Teubner im Bereich der Willenserklärungen künstlichen Intelligenzen beschränkte Rechtssubjektivität verleihen, damit sie als Stellvertreter bindende Verträge für andere abschließen können.

Was sagen die Gegner?

Dagegen stehen diejenigen, die im Ergebnis an den bestehenden Regelungen festhalten wollen. Auch hier wird vieles vertreten. Gemein ist allen lediglich die strikte Ablehnung jeglicher Form von rechtlicher Eigenständigkeit für künstliche Intelligenzen.

Zunächst wird mit dem Wesen des Rechtssubjekts argumentiert. Hinter jedem Rechtssubjekt stünde am Ende eine natürliche Person, der Mensch bleibe „Anknüpfungspunkt jeder Verantwortlichkeit“. Zu einer Behandlung von KI als „Subjekt“ fehle es an einem wirklichen Verständnis für das Handeln. Auch der Vergleich einer „ePerson“ mit der Kapitalgesellschaft hinke, denn diese sei in ihrem Handeln letzten Endes doch auf natürliche Personen angewiesen.

Insofern ist nach dieser Auffassung die juristische Konsequenz recht simpel: Das bestehende zivilrechtliche Instrumentarium sei ausreichend, es müsse lediglich im Einzelfall durch Rechtsfortbildung ausgelegt werden. Demzufolge muss entweder der Hersteller oder aber der Nutzer einer KI haftbar gemacht werden und die Zurechnung von Willenserklärungen durch die Anwendung der §§ 116 ff BGB erreicht werden. Teilweise wird auch explizit auf den jetzigen Stand der Technik abgestellt: Die heutzutage existierenden Systeme seien jedenfalls noch nicht ausgereift genug, um eine „Aufwertung“ vom Rechtsobjekt zum Rechtssubjekt zu rechtfertigen.

Bemerkenswert ist, dass der Vorstoß des Europäischen Parlaments gerade von Nichtjuristen kritisch gesehen wird. So hat sich eine Gruppe aus 285 KI-Forschern, Ärzten, Philosophen, Theologen und Unternehmern in einem offenen Brief gegen die ePerson ausgesprochen. Sie stellen neben dem Menschen als Ausgangspunkt jedes rechtlich relevanten Handelns vor allem eine technische Betrachtung in den Vordergrund: Die Fähigkeiten der im Moment eingesetzten KI seien schlicht und ergreifend überschätzt.

Fazit

Die Debatte findet auf zwei Ebenen statt: Zunächst wird rechtsphilosophisch gestritten, ob KI ein „Subjekt“ im rechtlichen Sinne sein kann. Andererseits stellen sich konkrete rechtliche Probleme, zu deren Handhabung unterschiedliche Lösungsansätze vorgeschlagen werden.

Abhängig ist die Diskussion vor allem von den technischen Fortschritten in den nächsten Jahren, die sich sehr schlecht prognostizieren lassen. Können wir wirklich behaupten, dass die Fähigkeiten von KI überschätzt werden? Und was gilt dann erst in fünf oder zehn Jahren?

Für die hinter der rechtlichen Problematik stehenden philosophischen und ethischen Fragen müssen wir als Gesellschaft eine Lösung finden: Welche gesellschaftliche Position soll KI zukünftig innehaben? Wieviel Macht darf KI erhalten? Wollen wir einen Roboter tatsächlich wie einen Menschen behandeln? Und wenn ja – wollen wir moderne Sklaven oder gleichberechtigte Mitglieder der Allgemeinheit? Diese Fragen müssen wir beantworten, früher oder später.

Innerhalb kurzer Zeit ist diese Problemstellung zur „derzeit dringendsten Frage im IT – Recht“ avanciert. Die in der Fachliteratur vorgebrachten Erwägungen werden zunehmend vielschichtiger.  Auch in der Politik ist Handlungsbedarf erkannt worden: Der Deutsche Bundestag hat 2018 eigens eine Kommission für KI eingesetzt, die bis 2020 eine Handlungsempfehlung im Umgang mit KI formulieren soll. Die Europäische Kommission beschäftigt sich momentan mit den vorgebrachten ethischen und moralischen Fragen und hat dazu eine Expertenrunde einberufen. Die Ergebnisse dieser Gremien werden für die zukünftige rechtliche Handhabung von KI entscheidend sein. Eine differenzierte und zufriedenstellende Lösung ist aber im Hinblick auf den immer stärkeren Einfluss von KI auf unseren Alltag dringend erforderlich.

Last Updated on 15. February 2021

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