Auch in diesem Jahr fand die Digital Justice Conference 2022 von recode.law statt – bereits in der dritten Auflage, dabei erstmals mit einer hybriden Paneldiskussion. Wer die Konferenz verpasst hat, kann alle Programmpunkte vollständig nachholen: die Aufzeichnungen sind nun online

 

Wie in den Vorjahren ging es auch in der diesjährigen Konferenz um ausgewählte Fragen rund um digitale Justiz, alternative digitale Streitbeilegung und Zugang zu Recht. In fünf Diskussionsrunden haben wir insgesamt zwölf Expert:innen miteinander ins Gespräch gebracht. Damit wollten wir bestimmte Themen mit fachlichen Impulsen voranbringen. Gleichzeitig lag der Fokus dieses Jahr stärker auf der jüngeren Zielgruppe aus Studierenden, Referndar:innen und Wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen, die wir – getreu unserem Vereinsmotto – für digitales Denken in der juristischen Welt begeistern möchten. Das Highlight bildete unsere Abschlussdiskussion am Freitagabend mit Vertreter:innen führender Legal Tech-Unternehmen, die wir vor Ort in Münster geführt und gleichzeitig gestreamt haben. Alle Programmpunkte haben wir aufgezeichnet und stellen sie auf unserem Youtube-Kanal in einer Playlist Link zur Verfügung. Eine Übersicht über die Veranstaltung mit allen Themen und Expert:innen gibt es hier.

 

# 1: Legal Design: Nutzerzentriertes Denken als Leitbild

In einem Impulsvortrag gab Alisha Andert, LL.M., (This is Legal Design) einen Überblick über die Methode des Design Thinking, einem spannenden neuen Betätigungsfeld für junge Jurist:innen. Inspirierend war, wie diese Methode in der Praxis bereits zur Anwendung kommt, beispielsweise bei der Gestaltung neuer Online-Verfahren. In dieser Hinsicht stellte Sami Yacob (Product Manager & Volljurist, DigitalService, Mitglied bei recode.law) ein Projekt des Bundesministeriums für Justiz in Zusammenarbeit mit DigitalService vor, dass diese Methode einsetzt. Aus beiden Vorträgen wurde der Appell deutlich, bei der Gestaltung der Rechtsdurchsetzung den Nutzer mehr in den Fokus zu stellen. 

 

# 2: Vorstellung der e-Akte: Zuversicht am digitalen Arbeitsplatz in der Justiz

Welche Softwareanwendungen unterstützen Richter:innen in ihrem Arbeitsalltag? Mia Alikhah, LL.M., und Dr. Christian Schlicht vom Landgericht Köln teilten ihren Bildschirm und zeigten am Beispiel eines fiktiven, sehr liebevoll gestalteten Sachverhalts, wie sie mir der elektronischen Akte umgehen und welche Vorteile sich daraus ergeben. In der anschließenden Diskussion zeigten sie sich ebenso wie Prof. Dr. Henning Müller (Direktor des Sozialgerichts Darmstadt) sehr zuversichtlich bezüglich der zukünftigen digitalen Entwicklung der Justiz. Dazu passte es gut, dass Ilona Cosack (Fachbuchautorin, beA-Bloggerin zur Förderung des Elektronischen Rechtsverkehrs, Inhaberin ABC Anwalts Beratung Cosack) den Willen und das Interesse auch der Anwaltschaft an einer digitalen Justiz betonte und dafür warb, miteinander im Gespräch zu bleiben. Frau Cosack hat dazu einen kurzen Bericht verfasst.

# 3: Menschen machen Fehler bei (juristischen) Entscheidungen und sind nicht objektiv – doch die Technik ist es auch nicht immer

Treffen Menschen Entscheidungen, sind sie dabei anfällig für bestimmte Fehler. Die Psychologie spricht von Verzerrungen („biases“) und Verrauschungen („noise“), wie Prof. Dr. Daniel Effer-Uhe ( Professor an der BSP Business & Law School) vorstellte. Das warf die Frage auf, ob und wie wir Legal Tech einsetzen können und sollten, um fehleranfällige menschliche Entscheidungen durch sichere Technik zu ersetzen. Prof. Dr. Stephan Breidenbach (Hochschullehrer, Mediator und Legal-Tech-Unternehmer) und Prof. Effer-Uhe waren sich relativ einig: Legal Tech bietet viele Vorteile, doch auch sie ist nicht immer objektiv, weil sie ebenfalls von Menschen gestaltet und mit ausgewählten Daten gefüttert werde. Deshalb sollten wir gut darüber nachdenken, welchen Anwendungsbereich wir der Technik im juristischen Bereich überlassen.

# 4: Visionär und bald Realität? Virtual Reality-Brillen im Zivilprozess

Virtual Reality-Brillen im Gerichtssaal? Beweisaufnahmen in einer computer-generierte dreidimensionalen Darstellung in denen Richter:innen sich frei bewegen können? Das mag zunächst radikal klingen. Prof. Dr. Simon J. Heetkamp vom Landgericht Köln überzeugte uns in einem spannenden Vortrag jedoch davon, dass dies schon bald denkbar sein könnte – schließlich sei die Technik dafür bereits vorhanden; ihr Einsatz biete viele Vorteile und stehe grundsätzlich keinen zivilprozessualen Bedenken gegenüber. So werde die VR-Technologie bereits vereinzelt in Gerichtsprozessen eingesetzt, zum Beispiel in einem Strafverfahren am Landgericht Detmold.

# 5: Legal Tech-Startups: Fazit nach fünf Jahren

Den Abschluss fand die DJC in einer hybriden Podiumsdiskussion mit Vertreter:innen führender Legal Tech-Unternehmen. Vor Ort im Reach in Münster und online verfolgten die Zuschauer:innen, wie Dr. Christina Heber (Chief Legal Officer & Head of Product Strategy bei CONNY), Dr. Benedikt Quarch (Co-Founder von RightNow) und Dr. Sven Bode (Gründer von myright) ihre Erfahrungen austauschten. In einer umfassenden Diskussion sprachen sie über ihre unterschiedlichen Geschäftsmodelle, die Bedeutung von Legal Tech-Unternehmen für den Zugang zu Recht – und wichen auch kritischen Fragen nicht aus.

Fazit

Aus einem spannenden, abwechslungsreichen Tag können wir viele fachliche Impulse mitnehmen. Dazu gehört vor allem die Erkenntnis, wie wichtig es ist, als Jurist:in offen für interdisziplinäre Zusammenarbeit und andere Methoden und Denkweisen zu sein – seien es Legal Design, psychologische Erkenntnisse, der visionäre Einsatz von VR-Brillen oder ganz andere Ideen. Gerade junge Jurist:innen bestärkt das vielleicht, über die Entwicklung der juristischen Welt nachzudenken und bereits in einer frühen Phase des Berufslebens mitzugestalten. Beeindruckend war außerdem, wie zuversichtlich ausnahmslos alle Expert:innen über digitale Entwicklungen sprechen. Die Botschaft war klar: Digitalisierung ist vor allem eine Frage der Mentalität. So ist auch Digital Justice weniger eine Herausforderung, sondern vielmehr eine Chance für die Zukunft.

 

Teilt uns eure Gedanken zu diesen Themen mit und lasst uns im Gespräch bleiben! Wir freuen uns über Feedback an conference@recode.law